Der Capricorn nimmt Fahrt auf – und bekommt 20 neue Kollegen

Der Capricorn nimmt Fahrt auf – und bekommt 20 neue Kollegen

Ab jetzt gilt es ernst: Der Capricorn, der nigelnagelneue Triebzug der RhB, steht auf den Schienen. Während einer Woche soll er im Vollbetrieb getestet werden. Schon jetzt steht fest, dass die ursprüngliche Bestellung von 36 auf 56 erhöht werden wird.

Der rote Teppich liegt am Mittwochabend auf Gleis 6 im Bahnhof Landquart. RhB-Direktor Renato Fasciati begrüsst die Gäste, unter ihnen Regierungsrat Mario Cavigelli und Stadler-Rail-Chef Peter Spuhler, persönlich. Vor ihnen liegt die erste Bezahlfahrt des neuen Capricorn. Ab jetzt gilt es ernst.

Während der Zug das Prättigau hinauffährt, sieht Renato Fasciati vor seinem geistigen Auge Skier in den neuen Triebwagen stehen. Oder Schlitten. Oder jetzt, im Sommer, eher Velos oder Kanus. «Das war ganz wichtig: Dass wir viel Platz haben», sagte der RhB-Direktor. Letzten Sommer gab es Tage, an denen die RhB 200 Velos transportierte.

Eine Woche wird der Capricorn 3111 alleine auf den Bündner Schienen fahren. Von Landquart nach Scuol, von Scuol nach St. Moritz. Von Chur nach Disentis, von Landquart nach Davos. 35 Sitzplätze gibt es in der ersten Klasse in einen Triebzug, 129 in der zweiten. Vier Triebzüge können bei Bedarf aneinander gekoppelt werden. Im Juli werden zwei weitere Capricorns die Schienen Graubündens testen und ab August kommt jeden Monat ein neuer hinzu.

Ein leuchtender Steinbock

Das Projekt Capricorn hatte seinen Anfang, da war Renato Fasciati noch gar nicht Direktor bei der RhB. «Aber ich habe mit Interesse und auch ein bisschen Neid zugesehen», sagte er. Als er Direktor wurde, durfte er grad noch seine Unterschrift unter die Verträge setzen und durchsetzen, dass der Steinbock beim Führerstand nicht aus Gusseisen, sondern erleuchtet wird. «Und Fenster, die sich öffnen lassen. Das ist für die Touristen ganz wichtig.» Peter Spuhler, dessen Stadler Rail die Capricorns bauen durfte, wird es später folgendermassen sagen: «Renato Fasciati hat uns in mehreren Verhandlungsrunden grilliert.»

Der Capricorn sprintet das Prättigau in Richtung Davos, und es fühlt sich nicht anders an als im Intercity nach Zürich. Man merkt das allerdings erst bei der Rückfahrt, wo man in altes Rollmaterial sitzen muss. 33 Jahre alt wird ein Zug durchschnittlich bei der RhB.

In Davos Platz zeigt der neueste Triebzug, was er auch noch kann: selbstständig koppeln, oder wie man es auch nennen könnte: Capricorn küsst Capricorn. Die Annäherung erfolgt für das Laienauge relativ zügig vom fahrenden Zug zum stehenden Zug. Kurz vor dem «Kuss» bremst der fahrende Zug ab und nähert sich langsam dem stehenden Zug. Als die beiden aufeinandertreffen, gibt es einen Ruck – und wie füreinander bestimmt, was sie in Tat und Wahrheit ja auch sind, kommen sie zusammen. Das Verfahren soll zum Beispiel umgekehrt in Klosters eingesetzt werden, wo ein Lokomotivführer vier Triebzüge hingefahren hat. In Klosters ist die kurze Liaison zu Ende: Die eine Hälfte fährt nach der Trennung weiter durch den Vereina nach Scuol, die andere nach Davos.

 

 

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Capricorn küsst Capricorn. Die elektrische Kuppel funktioniert.

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Noch mehr Steinböcke auf Schienen

Bei einem kleinen Imbiss im Hotel Grischa in Davos wird auch die Liaison zwischen Stadler Rail und der RhB offiziell verstärkt: Vertreter der beiden Unternehmen, unter ihnen natürlich auch Renato Fasciati und Peter Spuhler, unterzeichnen den Vertrag für 20 weitere Capricorns. 56 werden es am Ende sein. Für Spuhler der dritte Auftrag in dieser Grösse, wie er selbst sagte. «Es macht Freude, einen weiteren Meilenstein zu unterschreiben.» Und Mario Cavigelli, der Vertreter der Regierung, ist «einfach stolz auf unsere Rhätische Bahn.»

Die Rückfahrt nach Landquart steht kein Capricorn mehr zur Verfügung. Das Rollmaterial ist älter, es ächzt und krächzt das Prättigau wieder hinunter, wie früher, als man ins Klassenlager nach Graubünden kam. Erst da wird klar, wie sanft und gemütlich das Reisen im neuen Zug ist – so sehr, dass man sofort vergisst, wie sich die älteren Semester anfühlen.

(Bilder: GRHeute)

 

 

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.