Ein bisschen Licht ins Dunkel im Fall Cicero

Ein bisschen Licht ins Dunkel im Fall Cicero

Der Gemeindevorstand Zizers hat es versäumt, die rechtliche Grundlage für eine Mehrwertabschöpfung beim Landverkauf des Weinguts Cicero zu schaffen. Belangt wird niemand.

Gut 70 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hatten sich am Donnerstagabend zur Gemeindeversammlung im Lärchensaal Zizers eingefunden. Die wesentlichen Geschäfte waren schnell behandelt: Der Steuerfuss bleibt bei 90 Prozent, das Budget und der Voranschlag wurden gut geheissen. Ein Antrag von Karl Rechsteiner, der eine Erhöhung des Betrags für die Jugendmusik um 3000 Franken verlangte, wurde ebenfalls gutgeheissen.

Viel mehr interessierte der Sonderbericht der GPK zur Umzonung des Areals des Weinbauerbetriebs Cicero in die Wohn- und Gewerbezone. Der 9-seitige Bericht wurde von den drei GPK-Mitgliedern abwechselnd vollständig vorgelesen – «aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes», wie es hiess. Auf der Parzelle 1700 wurde ein Mehrfamilienhaus gebaut; der Weinbetrieb ist mittlerweile eingestellt. Vorgänge, wie sie so oder ählich in jeder Gemeinde vorkommen und verabschiedet werden.

Wenn da nicht die Sache mit der Mehrwertabschöpfung wäre. Der damalige Gemeindevorstand ging 2009 davon aus, dass bei einer Bebauung des Areals innerhalb der nächsten 20 Jahre 40 Prozent Mehrwertabschöpfung seitens des Weinbauers zu Handen der Gemeinde fällig werden – und schrieb das bei der Botschaft zu Handen der Gemeindeversammlung auch so in die Weisung.

Als das Mehrfamilienhaus gebaut war, verlangte der Gemeindevorstand von der Besitzerin des Weinguts Cicero diese 40 Prozent Mehrwertabschöpfung. Gemäss dem GRHeute vorliegenden Gerichtsurteil stellte der Gemeinderat bei einem Grundstückspreis von 600 Franken pro Quadratmeter am 14. April 2014 schlussendlich 304’440 Franken plus 5 Prozent Zins in Rechnung. Die Besitzerin hatte den Verkaufspreis mit 780’000 Franken deklariert.

Wie der Bericht der Geschäftsprüfungskommission ergab, hatte der Gemeindevorstand ohne Beizug einer rechtskundigen Person gehandelt. «Niemandem war klar gewesen, dass die Erwähnung der Mehrwertabschöpfung so nicht rechtlich bindend war», sagte GPK-Präsident Emilio Corsetto. Üblicherweise würden derartige Abkommen vor einer Umzonung vertraglich geregelt, weil danach kaum ein Grundstücksbesitzer noch dazu bereit sei.

Auch die Besitzerin des Weinguts Cicero war nicht damit einverstanden und reichte beim Verwaltungsgericht Graubünden Beschwerde ein. Gemäss dem Urteil machte sie vor allem geltend, dass kein entsprechender Vertrag abgeschlossen sei. Das Verwaltungsgericht gab ihr Recht; die Gemeinde musste ihr eine Entschädigung von über 3000 Franken bezahlen und die Gerichtskosten übernehmen.

Für die Gemeinde Zizers bedeutet dies, dass ein Beschluss der Gemeindeversammlung nicht korrekt umgesetzt werden konnte. «Der Botschaftstext war mangelhaft.» Schuld daran sei der gesamte damalige Gemeindevorstand. «Strafrechtliche Versäumnisse gibt es nicht», sagte Emilio Corsetto. Die Empfehlungen seitens der GPK seien: «Die internen und externen Kontrollsysteme sind auszubauen und genauere Protokolle zu verfassen.»

In der anschliessenden Fragerunde ging es vor allem um die Höhe der Summe und die zumindest gerüchteweise vorhandenen Verflechtungen zwischen Gemeinderat und der Weingut-Besitzerin. Gemeindepräsident Peter Lang erklärte, er hüte sich vor der Preisgabe der Summe und verwies den Votanten darauf, dass er die Frage schriftlich stellen könne und schriftlich beantwortet bekomme.

Aus dem Gerichtsurteil geht hervor, dass der damalige Gemeindepräsident Verwaltungsrat des Weinbau Cicero gewesen sei, gemäss der Besitzerin aber keinerlei Zeichnungsberechtigung inne hatte. Der Gemeindepräsident war zu diesem Zeitpunkt gleichzeitig auch Präsident der Raiffeisenbank, ihrem Kreditgeber. Ob ein direkter Zusammenhang besteht, ist nicht bekannt. Der frühere Gemeindepräsident wurde nicht befragt, wie Emilio Corsetto erklärte. Ein Votant hatte geltend gemacht, dass dieser jetzt als Schuldenbock hingestellt werde, ohne dass er sich rechtfertigen könne.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Graubünden kann man hier nachlesen.

 

(Bild: GRHeute)

author

Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.