Was unterscheidet ein Sportstadion von einem Sportfeld? Das wohl Wichtigste: Die Zuschauerinfrastruktur, sprich: eine Tribüne, von der man von einer erhöhten Position einen ganzen (Über-)Blick aufs Spielfeld hat. Leider hat das neue Bauwerk auf der Obere Au in Chur gerade dieses – wichtigste – Stadion-Kriterium verpatzt.
Überspitzt gesagt hat man in Chur in die Breite statt in die Höhe gebaut. Ursprung des Übels ist, dass die untersten Sitzreihe viel zu tief angesetzt sind. Dazu kommt, dass sich das Stadion neben der Seitenlinie eine umfassende Sicherheitszone gönnt, bis die Tribüne beginnt: So bieten die untersten drei Sitzreihen eine schlechte Übersicht aufs Spielfeld. Kurz gesagt: Niemand wird da sitzen, ausser das Stadion ist proppenvoll. Gleichzeitig geben die unteren Stufen (denen wohl auch aus diesem Grund keine Schalensitze gegönnt wurden) der Tribüne eine Tiefe, die dazu führen, dass auch die oberen Sitzplätze weit weg sind vom Spielfeld. Oder konkreter ausgedrückt: Man sitzt zum tiefer und vor allem auch weiter weg vom Geschehen als zum Beispiel früher auf der legendären Ringstrasse. Selbst im Provisorium der letzten drei Jahre fühlte man sich näher am Geschehen als im neuen Rasensportstadion, das heute eingeweiht wird.
Dazu kommt, dass zu einem Stadion – das diesen Begriff verdient – irgendwie halt doch auch eine Gegentribüne gehört, selbst wenn diese nur aus drei, vier Stufen besteht. Für ein Stadion-Feeling müsste es in irgendeiner Form umschlossen sein (und damit sind nicht Werbeblachen gemeint). Mit rund 1500 Plätzen ist das Rasensportstadion Obere Au so letztlich auch zu klein, um den schon heute immer wieder nötigen Anforderungen gerecht zu werden. Der schmucke Vorplatz hätte mehr verdient.
Abseits der Negativität gibts aber auch Gutes – und zwar einiges: Was die Stadt Chur in den letzten Jahren an der Obere Au geleistet hat, ist erstaunlich. Nach Jahrzehnten des Stillstands in der Sportanlagenpolitik hat die Churer Regierung innert weniger Jahre trotz diverser Unwägbarkeiten eine Rasensport-Infrastruktur auf der Oberen Au umgesetzt, die sich sehen lassen kann: Drei Kunstrasenplätzen, fünf Naturrasenfelder, 20 Rasensportgarderoben, ein Skatepark, Boccia-Anlage und eine Trainingseishalle – alle Achtung, da waren wirklich Macher am Werk!
Auch die Sportteams in Chur – allen voran die Calanda Broncos und Chur 97 – haben Freude an der neuen Heimat: Dass die komplette Zuschauerinfrastruktur inkl. Food-Ständen, WCs und Sponsorenraum auf der oberen Plattform der Tribüne Platz findet und auch noch locker genug Raum für Rahmenprogramm mit Live-Band bleibt, haben die Broncos am letzten Samstag bei der Stadion-Inbetriebnahme mit einer rauschenden Party vor fast 700 Fans bereits bewiesen.
Und ja, von den obersten vier, fünf Reihen der Tribüne hat man auch eine ordentliche Sicht aufs Spielfeld. Trotzdem fühlt sich das Stadion nicht wie den erhofften Höhepunkt des neuen Rasensportzentrums an. Eher wie ein Spielfeld mit einer ungelenken und sehr, sehr breiten und wenig hohen Tribüne – ein «Stadiönli», das zwar mit einigen coolen Features punkten kann, bei der entscheidenden (Über-)Sicht für die Zuschauer aber selbst hinter anderen viel älteren Schweizer Stadien wie in Grenchen (Brühl), St. Gallen (Gründenmoos) oder Basel (Rankhof) zurückbleibt. Schade.
- Sie sait: Das neue Stadion gefällt!
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(Bild/Video: zVg.)