Eine nicht ganz ernstzunehmende weltpolitische Sommergeschichte

Eine nicht ganz ernstzunehmende weltpolitische Sommergeschichte

Der Herbst ist eingezogen. Die Nächte werden länger als die Tage. Die fröhliche Hektik des Sommers macht der Gemächlichkeit der kühleren Jahreszeit Platz. – Eigentlich müsste ich als Nationalratskandidatin die Chance nutzen und an dieser Stelle ein feuriges, politisches Statement mit all meinen Zielen in mit Superlativen überbordenden Worten wiedergeben, anstatt vielleicht völlig sinnlos dahin zu philosophieren. Und dennoch fahre ich mit Zweiterem fort, weil es mein Magic-Moment in diesem Sommer war:

Es ist heiss. Es ist sogar sehr heiss. Wie schon gestern und vorgestern machen wir auch heute einen Abstecher ins Strandbad Bellerive von Lausanne. Der Magnetpunkt schlechthin unserer vier Kinder: der Sprungturm mit Sprungbrettern von 1, 3, 5 und 10 Metern. Viele Kinder bunt zusammengewürfelt drängen sich bereits vor und auf dem Sprungturm. Am Rande des Beckens entlang sitzen an der prallen Sonne Eltern, Grosseltern, ältere Geschwister oder andere Aufsichtspersonen. Nur der Badmeister hat seinen Platz unter dem Sonnenschirm und beobachtet die ganze Szenerie von dort aus. Streng wacht er darüber, dass wer vom 1m- oder 3m-Brett gesprungen ist, beim Ausgang 1 aussteigt und wer vom 5m- resp. 10m-Brett sprang, beim Ausgang 2. Ordnung muss sein in diesem internationalen Chaos.

 

Ich setze mich ebenfalls zu den beobachtenden Verantwortlichen. Nichts verstehend, was links und rechts gesprochen wird. Gefühlt sind alle Sprachen der Welt hier anwesend. Aber lachen, das können wir gemeinsam. Schon bald beginnen die Kinder – meine mittendrin – mit dem Spiel «wem gelingt die coolste Arschbombe»: Es spritzt und lacht und klatscht völlig unabhängig, ob die Bombe hell- oder dunkelheutig, dick oder dünn, alt oder jung ist. Diese internationale Unbeschwertheit, Grenzenlose Fröhlichkeit fühlt sich völlig natürlich an und berührt gerade deshalb zutiefst.

 

Angespornt durch die vielen performten Arschbomben – gibt es dafür eigentlich einen weniger kriegerischen Ausdruck? – wagt sich plötzlich der älteste Grossvater – geschätzte 85+ – von der Beobachterbank hoch und schreitet auf das 1m-Sprungbrett zu. Entschlossen steigt er die Treppen hoch bis aufs Brett und übersieht in seiner Konzentration, dass vorne auf dem Sprungbrett der jugendliche Springprofi aus dem Norden steht, dessen Abfederungen ihn bis zum 3m-Brett hochschleudern. Der alte Mann in höchster Gefahr: ein entschlossenes und sofortiges internationales Einschreiten verhindert Schlimmes und bringt den alten Mann aus der Gefahrenzone zurück auf die oberste Treppenstufe. Dieser lässt sich nicht beirren und – es ist still geworden, alle Augen sind auf ihn gerichtet – zaubert eine perfekte Mittelstreckenrakete (Köpfler) ins Wasser. Wir staunen, die Kinder applaudieren. Auch er staunt und vor lauter Verwirrung verpasst er den richtigen Ausstieg. Aber dieses Eingreifen überlassen wir in stiller Übereinstimmung dem anwesenden Oberkommandanten – dem Badmeister.

 

Die Grossmächte beginnen wieder ein Wettrüsten. Atomare Waffen werden nicht mehr abgerüstet, sondern getestet. Für was? Gegen wen? – In solchen Momenten wünsche ich mir: Denkt an die Standbadi in Lausanne zurück – an unseren Magic-Moment!

(Bild: Pixabay)

Am 20. Oktober wird in der Schweiz das neue Parlament gewählt. Im Politforum von GRHeute diskutieren bis zu den Wahlen verschiedene Kandidaten über Themen, die ihnen unter den Nägeln brennen. Heute: Franziska Preisig, SP Graubüden, Grossrätin Oberengadin
Franziska Preisig ist SP-Nationalratskandidatin, Grossrätin, Juristin, Dozentin und Mutter von vier Kindern.