Philipp Wilhelm: «Es braucht ein Nein für mehr Demokratie»

Philipp Wilhelm: «Es braucht ein Nein für mehr Demokratie»

Zahm, zahmer am zahmsten. Die Selbstbestimmungsinitiative (SBI) kommt als Wolf im Schafspelz daher. Mehr Demokratie verspricht sie, mehr Selbstbestimmung. Dabei drohen Unsicherheit, Isolation, ausgehölte Menschenrechte und die Schweiz wird nicht mehr, sondern weniger demokratisch. Viele haben das Spiel durchschaut. Ausser den Initiantinnen und Initianten sind wenige für die Initiative: Menschenrechtlerinnen, Gewerkschaften, Tourismus-, Gewerbe-, Wirtschaftsverbände und alle anderen grösseren Parteien empfehlen ein klares Nein.

Ihnen allen wirft die SVP nun vor, sie seien undemokratisch. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Undemokratisch ist nämlich die SBI selbst, aber auch die Art und Weise, wie die SVP ihr Begehren der Bevölkerung verkaufen will.

Noch vor drei Jahren nach der Lancierung seiner Initiative betonte der Initiativautor, der Zürcher Professor Hans-Ueli Vogt, dass bei einer Annahme der SBI die Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention nötig werden könne. Jetzt, in der heissen Phase der Abstimmung behauptet die SVP urplötzlich und vehement, die Initiative gefährde die Menschenrechtskonvention überhaupt nicht. Was gilt nun? Solche gravierenden Widersprüche im Vorfeld einer Abstimmung dienen der demokratischen Meinungsbildung sicherlich nicht.

Darum: bei Initiativen lohnt es sich, nicht nur den Worten der Politik zu folgen, sondern vor allem den Initiativtext zu lesen. Dort steht klipp und klar: «Im Fall eines Widerspruchs sorgen sie (Bund und Kantone) für eine Anpassung der völkerrechtlichen Verpflichtungen an die Vorgaben der Bundesverfassung, nötigenfalls durch Kündigung der betreffenden völkerrechtlichen Verträge.» Und diese Bestimmung gilt laut Initiativtext nicht nur für künftige, sondern auch für alle bereits bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen.

Betroffen ist also sehr wohl die Europäische Menschenrechtskonvention, genauso wie hunderte weitere internationale Verträge, die mit einer einzigen Initiative auf die Kündigungsrampe gehievt werden sollen. Wo bleibt da die Demokratie? Als Demokrat kämpfe ich dafür, dass wir über Verträge einzeln abstimmen. Wenn mir ein Vertrag nicht passt, ergreife ich dagegen das Referendum oder lanciere eine Kündigungs-Initiative für diesen Vertrag. Alle Verträge aber in einen Topf zu werfen und einem Kündigungsautomatismus zu unterstellen, ist alles andere als demokratisch.

Einer Demokratie schlicht unwürdig ist aber auch das Vorgehen der SVP, die in ihrem Flugblatt alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey als Befürworterin der Initiative darstellt. Ohne ihre Zustimmung und ohne ihr Wissen werben die Initianten ausgerechnet mit einer bekennenden Gegnerin dieses gefährlichen Anliegens. Wer es mit den Tatsachen vor einer Abstimmung derart ungenau nimmt und der Bevölkerung unreinen Wein einschenkt, hat kaum Recht, andere als undemokratisch zu bezeichnen.

In der Summe ist klar: Gegen die SBI kämpft nicht nur wer Grund- und Menschenrechte achten und schützen will, sondern auch, wer überzeugte Demokratin oder überzeugter Demokrat ist. Wichtig ist, dass sie alle trotz den positiven Umfragezahlen jetzt zur Urne gehen und ein NEIN zur Selbstbestimmungsinitiative einlegen.

//wp.grheute.ch/2017/02/01/die-12-im-neuen-politforum-von-grheute/">14 PolitikerInnen aus Graubünden. Jeden Donnerstag nimmt eine/r zu einem aktuellen Thema Stellung, die anderen Mitglieder des Politforums können diesen Beitrag ihrerseits kommentieren.

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(Bild: GRHeute)

Präsident SP Graubünden