Am Stammtisch

Am Stammtisch

Marco und Gian-Luzi sind wieder mal bei Frieda in der Beiz und streiten. Wildmannli hört zu. Irgendwie so.

 

Gian-Luzi: So, jetzt ist Zahltag. Am Sonntag schifft deine SVP wieder ab, das sag ich dir.

Marco: Was heisst «deine SVP»? Ich bin nur bürgerlich, sonst nichts. Kann ich denn was dafür, dass die andern wieder den Medien hinterherhecheln, nur um nicht dauernd in die Pfanne gehauen zu werden. Ich will nur, dass meine Kinder auch mal ein eigenes Land haben, in dem man frei ist.

Gian-Luzi: Du hast doch gar keine Kinder, Marco.

Marco: Darum gehts gar nicht.

Gian-Luzi: Warum sagst du’s dann? Aber du kannst ja nicht ernsthaft was dagegen haben, dass die Asylverfahren schneller laufen, oder?

Marco: Hast du das Abstimmungsbüchlein gelesen?

Gian-Luzi: Tu ich nie. Dafür gibts den Blick.

Marco: Eben, genau das meine ich. Aber ich sag dir eins, Luzi: Wenn die SP sagt, alles werde besser im Asylbereich, wenn man ja sagt, dann sag ich das Gegenteil. Glaubst du wirklich, dass die plötzlich eine klare Linie in dem ganzen Chaos wollen? Niemals.

Gian-Luzi: Ist ja nicht nur die SP. Auch die CVP und die FDP und alle Kleinen sagen Ja zur dieser Asylreform.

Marco: Genau. Das waren exakt die, die uns vor ein paar Jahren weiss gemacht haben, mit dem Dublin-Abkommen würden sich die Asylzahlen in der Schweiz auf 5000 pro Jahr einpendeln. Das hab ich denen damals noch abgekauft. Genau die, die noch vor einem Jahr gesagt haben, es würden sicher nicht mehr als 30’000 und dann wurden es 40. Und genau die, die jetzt sagen, dieses Jahr gäbe es so viel wie letztes Jahr und jetzt rausposaunen, dass die Zahlen zurückgehen. Wetten, das werden 60’000 bis Ende Jahr?

Gian-Luzi: Damals konnte ja niemand ahnen, dass in Syrien der Krieg ausbricht.

Marco: Hallo, Luzi? Wo lebst du? Es sind keine Syrier, die bei uns in Graubünden sind. Die kommen aus Eritrea. Und da gibts keinen Krieg.

Gian-Luzi: Dafür kommst du in den Knast, wenn du nicht ins Militär willst.

Marco: Genau wie bei uns. Rück mal nicht ein in einen WK, da holt dich stantepede die Militärpolizei und du hockst.

Gian-Luzi: Willst du das ernsthaft vergleichen?

Marco: Ok, vielleicht nicht ganz. Aber was machen wir, wenn plötzlich eine Horde Chinesen bei uns Asyl verlangt? Dort wird auch gefoltert in einigen Gefängnissen, und das ist für unsere humanitäre Schweiz dann ein Asylgrund. Oder wie wärs mit einer Million Amis, weils da in einigen Staaten die Todesstrafe gibt? Der elektrische Stuhl ist nach Amnesty International auch Folter für die Gefangenen. Wollen wir jetzt einfach alle mit unseren Steuergeldern stopfen?

Gian-Luzi: Das sind doch Hirngespinste. Ihr SVPler habt doch jedes Mal Schiss, wenn jemand eine andere Hautfarbe hat. Vollkommener Verfolgungswahn. Ihr habt eine Scheiss-Angst, dass euch jemand was wegnimmt.

Marco: Ach ja? Dann geh mal an den Bahnhof oder ins City-West in Chur. Da siehst du von Morgen bis Abend Flüchtlinge, die rumhängen und von unserem W-LAN-Netz schmarotzen. In der einen Hand das Handy, in der anderen eine Flasche Jack Daniels. Ist das wirklich das, was du dir unter humanitärer Tradition vorstellst?

Gian-Luzi: Immer noch besser als sie abzuschieben, wo sie dann umgebracht werden. Was sollen sie denn sonst tun, die armen Teufel?

Marco: Keine Ahnung. Aber sich besaufen und dann wie in Köln, Berlin und Darmstadt unsere Frauen zu begrapschen, das kanns ja wohl nicht sein. Willst du da echt einfach zuschauen? Oder hast du vor lauter Luxusleben keine Eier mehr in der Hose?

Gian-Luzi: Berlin, Darmstadt, wovon sprichst du? Was vermischst du da wieder für Sachen?

Marco: Das meine ich, solche Dinge stehen ja nicht einmal mehr in der Zeitung. Könnte den Volksfrieden stören. Aber ich sag dir, dieses Vertuschen und Schönreden, das wiegelt das Volk auf, nicht die Flüchtlinge.

Gian-Luzi: Ja, ja, Marco: Du mit deinen armen arischen Girls, die tun mir ja so leid. Das müsste dir doch eigentlich gefallen, wenn die Frauen wieder Kopftuch tragen und hinter dem Herd stehen müssen.

Marco: Klar, Luzi. Und jetzt sollen wir auch noch eine Armee von Gratis-Anwälten auf die Beine stellen, damit die Flüchtlinge noch etwas mehr Rechte bekommen. Damit dann nicht nur 70, sondern 90% illegal hierbleiben dürfen. Spitzenklasse.

Gian-Luzi: Du machst da Zusammenhänge, die gibts ja gar nicht. Liest du eigentlich keine Zeitung? Es gibt Tests, die zeigen, dass die Verfahren mit Gratisanwälten schneller gehen und auf mehr Akzeptanz stossen.

Marco: Wer sagt das? Dass die Linken das sagen, ist ja wohl klar. Zeig mir einen Fall, in dem Anwälte Verfahren erleichtert haben! Du weisst doch, dass die SP auf Teufel komm raus ein Vasallenstaat der EU werden will. Jede Schwächung der Schweiz führt sie näher zu diesem Ziel. Capisch?

Gian-Luzi: Jetzt wirst du endgültig paranoid. Und was ist mit der FDP? Die will die Asylreform ja auch?

Marco: Die macht doch die einfache Rechnung: Mehr Leute = mehr Konsum = gut für die Wirtschaft. Blöder als blöd. Die checken nicht, dass wir zwei Drittel der Flüchtlinge bis zu ihrem Lebensende durchfüttern. Inklusive Verwandtschaft, wenn die dann nachgezogen werden.

Gian-Luzi: Bist heute ziemlich rassistisch unterwegs, Marco. Es gibt auch viele andere, die meisten sind doch ganz normal, wollen arbeiten und einfach nur in Frieden leben. Machen dir die toten Kinder im Mittelmeer etwa nichts aus?

Marco: Doch, mir eben schon. Aber dir offenbar nicht. Wenn wir einfach Hinz und Kunz reinlassen und durchfüttern, nur weil wir keinen Mumm haben, klare Grenzen zu ziehen, dann ist das Ende der Schweiz früher oder später besiegelt. Glaubst du ernsthaft, wir könnten über Jahrzehnte hinweg ohne Folgen den Pestalozzi für alle spielen? Wir müssen den echten Flüchtlingen helfen, nicht den andern. Und das sind nun mal weniger als ein Drittel aller, die hier sind.

Gian-Luzi: Sagst du.

Marco: Ja, das sag ich. Ich bin nämlich der Humanist, nicht du. Ich will denen helfen, die es nötig haben, nicht jenen, die unser System aushebeln. Du bist einfach ein Weichei, genau wie die gesamte Classe politique.

Gian-Luzi: Jetzt reicht’s langsam, Marco.

Marco: Ist doch wahr. Wir müssen den echten Flüchtlingen helfen, nicht denen, die wegen der Kohle zu uns kommen. Und wir müssen endlich aufhören, alle Probleme der Welt zu unseren zu machen. Jetzt sollen wir auch nach Ja dazu sagen, dass uns der Staat unsere Häuser für neue Flüchtlingsheime wegnimmt. Ja, sind die denn bescheuert?

Gian-Luzi: Das machen sie ja sowieso nicht. Das wäre eine Notfallmassnahme, das hat Frau Leuthard ganz klar gesagt.

Marco: Schau dir mal das letzte Jahr an, wie die hinter dem Rücken der Gemeinden Asylheime aus dem Boden gestampft haben. Nimmst du das denen echt ab? Die behaupten jetzt ja auch, es kämen dieses Jahr weniger, weil sie die jetzigen Zahlen mit denen vom Winter vergleichen statt mit jenen vom gleichen Monat im Vorjahr. Ne du, diesen Staatsterroristen trau ich kein Wort mehr.

Gian-Luzi: Wird dir nichts nützen, die Asylreform wird trotzdem angenommen.

Marco: Wahrscheinlich hast du recht. Ich werd trotzdem nein sagen. In der Asylfrage hat mich diese unheilige Mitte-Links-Koalition bisher nämlich nur beschissen.

Gian-Luzi: Jaja, Marco, du bist beschissen worden. Schon klar: Das hab ich doch grad kürzlich gehört. Von diesem Donald Trump, der sagt dasselbe.

Marco: So einen könnten wir in der Schweiz auch brauchen.

Gian-Luzi: Das ist ein glasklarer Rassist.

Marco: Ach was. Der hat nur was gegen Mexikaner.

 

Wildmannli schüttelt den Kopf. Leuten, die nicht zu ihrer Glatze stehen, traut er aus Prinzip nicht.

 

(Bild: Pixabay)

author

Mathias Braendli

Redaktor Region/Sport
Marketeer, Ex-Journalist und Football-Blogger. Sound: Adam Green, Ryder the Eagle, Bob Dylan, Helloween. TV: Better Call Saul, Game of Thrones, Sport. Buch: Fall & Rise von Mitchell Zuckoff.