Sind die Massnahmen des Bundesrates unverhältnismässig?

Sind die Massnahmen des Bundesrates unverhältnismässig?

Am 13. März 20 entschied der Bundesrat mit dem Lock-Down – der Stilllegung des öffentlichen Lebens – dass nur noch die lebensnotwendigen Betriebe offengehalten werden dürfen. Alle Skigebiete, Sportanlagen, Restaurants, Schulen und Geschäfte, die keine lebensnotwendigen Produkte verkaufen, wurden geschlossen.

Der nationale Notstand wurde ausgerufen und Massnahmen aufgrund von Fakten getroffen, die bis heute nicht verifiziert sind. Seitdem können wir den Medien täglich verschiedene Expertenmeinungen über das Corona-Virus entnehmen. Anerkannte und weniger anerkannte Experten aus der Wirtschaft aber auch aus der Medizin stellen die Massnahmen, die der Schweizer Bundesrat zur Bekämpfung des Virus getroffen hat, in Frage.

Ein Artikel fand dabei eine sehr hohe Aufmerksamkeit. Es ist der Artikel von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Paul Robert Vogt, der in China als Arzt gearbeitet hat und Gastprofessor an der Universität of Science and Technology in Wuhan ist. In diesem Artikel, der in der Mittelländischen Zeitung veröffentlicht wurde, übt Prof. Vogt am Bundesrat, an den Medien und am Schweizer Gesundheitswesen massive Kritik.

Auch wenn ich solchen Artikeln kritisch gegenüberstehe, muss ich Prof. Vogt in einer Frage zustimmen. Wieso verfügte die Schweiz beim Ausbruch des Virus mit ihrem 85-Milliarden schweren Gesundheitswesen – dem zweitteuersten weltweit – über zu wenig Masken und Desinfektionsmittel sowie medizinisches Material? Prof. Vogt gibt diese Antwort gleich selbst. Er kritisiert, dass im vergangenen Dezember die Warnsignale einer möglichen Pandemie aus Wuhan in Europa nicht erst genommen wurden und die wissenschaftlichen Arbeiten der Chinesen zu Covid 19, die in den besten amerikanischen und englischen Zeitschriften publiziert wurden, von den Experten der Pandemiekommission ignoriert wurden. Klar, im Nachhinein ist man immer schlauer.

In der Sonntagspresse hat der ehemalige CEO von Novartis, Daniel Vasella, die Massnahmen des Bundesrates und vor allem die späte Schliessung der Grenze zu Italien kritisiert. Zurecht, wie sich nun leider herausstellt. Diese Kritik äussert auch Magdalena Martullo-Blocher und drängt darauf, Geschäfte und Restaurants wieder zu öffnen, damit der wirtschaftliche Schaden nicht noch grösser wird.

Sind die Massnahmen, wie sie der Bundesrat via Notrecht verordnet hat, demnach unverhältnismässig? Diese Frage kann erst beantwortet werden, wenn wir durch klare Fakten und Zahlen beweisen können, welche Massnahmen in einer Pandemie sinnvoll sind und welche keine erhoffte Wirkung bringen. Dazu ist entscheidend zu wissen, wie sich die Viren verbreiten, da ansonsten Massnahmen ergriffen werden, die nichts bringen. Die Frage der Verbreitung ist heute leider noch nicht restlos geklärt.

Der Bundesrat verfolgt mit der Strategie, die Übertragungskette zu unterbrechen, sicher konsequent das richtige Ziel. Ob der Lock-Down die richtige Massnahme war, lässt sich erst in ein paar Monaten beurteilen, wenn die Zahlen aller Länder auf dem Tisch liegen, auch jene von Schweden.

Die schwedische Regierung versucht die Wirtschaft am Laufen zu halten. Schulen, Sportanlagen, Geschäfte und Restaurants sind geöffnet. Die schwedische Gesund-heitsbehörde setzt – auf Empfehlung des Epidemie-Experten Andreas Tegnell – auf Eigenverantwortung der Bevölkerung und appelliert an die Vernunft der Bürger. Schweden beruft sich dabei auf Studien, die beweisen, dass Appelle an den gesunden Menschenverstand und freiwillige Massnahmen mehr bringen, als staatlich verordnete Massnahmen und Verbote. Ebenso stellen heute Wissenschaftler fest, dass Schliessungen von Schulen verhältnismässig wenig bringen, der Schaden aber relativ hoch ist.

Bis jetzt scheint Schweden mit dieser Strategie Erfolg zu haben, denn bis zum 15. April gab es in Schweden rund 150 Todesfälle weniger als in der Schweiz, obschon Schweden 2 Mio. mehr Einwohner zählt als die Schweiz.

Bei einem Vergleich der Länder in Bezug auf deren Krisenbewältigung und deren Infizierten sowie Mortalitätsraten müssen immer die gesamten wirtschaftlichen und infrastrukturellen Faktoren in Betracht gezogen werden. Dazu gehört die medizinische Infrastruktur eines Landes z.B. der Schweiz. Während Gesundheitsökonomen in den vergangenen Jahren die Überkapazitäten im schweizerischen Gesundheitswesen kritisiert haben, sind uns nun genau diese, mit 38‘000 Spitalbetten, zu Gute gekommen. Wichtig ist, was wir aus dieser weltweiten Krise lernen.

In drei Punkten müssen wir unser Verhalten jetzt bereits einschränken: erstens, in unserer wirtschaftlichen Abhängigkeit von China und zweitens, in der Abhängigkeit der fossilen Energien, denn diese tragen massgeblich zur Luftverschmutzung und dem CO2 Ausstoss bei. Und drittens müssen wir unser Konsumverhalten hinterfragen und uns vermehrt mit der Kostenwahrheit eines Produkts auseinandersetzen.

Flüge in eine europäische Destination zum Peis von CHF 40.- oder T-Shirts zum Preis von CHF 5.- sind sehr verlockend, die Umwelt zahlt aber einen sehr hohen Preis dafür. Diese negativen externen Effekte können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten.

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Präsident glp Graubünden