12 Feuerwehrleute erzählen vom Postautogaragen-Brand

12 Feuerwehrleute erzählen vom Postautogaragen-Brand

Der Fotograf Mattias Nutt hat zwölf Feuerwehrfrauen und -männer portraitiert – und sie ihre Geschichten des Postautogaragen-Brands in Chur erzählen lassen. Entstanden sind berührende Portraits, direkt aus dem Leben: «1 Ereignis. 12 Geschichten.»

Mitte Januar brannte es in Chur gleich zwei Mal hintereinander. Zuerst steckte ein Familienvater die Wohnung am Foralweg in Brand; dabei kamen er und seine beiden Kinder ums Leben. Kein alltägliches Ereignis und keins, das man sofort vergessen kann – weder bei den Familien der Opfer noch bei den beteiligten Einsatzkräften.

Zwei Tage später geriet die Postautogarage unterhalb des Bahnhofs Chur in Brand. 20 Postautos verbrannten, ein Polizist musste wegen Atembeschwerden im Spital untersucht werden. Was bei beiden Fällen gemeinsam war: Sie passierten zu einem Zeitpunkt, in dem man sein inneres System runtergefahren hat. Der Wohnungsbrand war an einem Sonntag; der Postautogaragen-Brand abends um 20.45 Uhr.

Was dann passierte, konnte man in den Medien lesen: 100 Feuerwehrleute rückten unter der Leitung von Kommandant Hansjörg Erni aus. Hinzu kamen weitere unterstützende Korps aus den umliegenden Dörfern, Polizei und Sanität. Die Feuerwehrleute konnten ein Übergreifen auf die angrenzenden Wohngebäude verhindern. Es entstand ein Sachschaden von mehreren Millionen Franken, die Rauchsäule war im ganzen Churer Rheintal zu sehen und teilweise auch zu riechen. (Brand in Churer Postauto-Garage verursacht Millionenschaden.)

«Bin ich froh, dass ich da nicht hinmuss»

Für Gruppenführer Michael Capeder begann der Abend so: «Ich bin zu Hause auf dem Sofa gesessen und hatte gerade angefangen, einen Film zu sehen. Ein paar von uns in der Feuerwehr haben einen Chat. Da drin hat es geheissen, dass ein Postauto in Brand geraten sei. Ich habe mich zurück gelehnt und dachte: Bin ich froh, dass ich da nicht hin muss. Der letzte Brand ist mir noch in den Knochen gesteckt, ich bin müde gewesen. Dann wurde um 20.45 Uhr der Alarm ausgelöst und ich dachte mir noch: Warum lösen die wegen eines brennenden Postautos einen Alarm aus?»

Dass man den Bericht von Michael Capeder und elf seiner Kameraden hören kann ist der Verdienst des Fotografen Mattias Nutt, denn eigentlich, betont Kommandant Hansjörg Erni am Mittwochmorgen in der Galerie Kunst & Co vor den Medien, sieht sich die Feuerwehr der Stadt Chur nicht als Helden. «Wir bekommen viel Wertschätzung, und das freut mich sehr», sagt Hansjörg Erni. «Aber mehr wollen wir auch nicht.»

Zwölf Portraits hat Mattias Nutt erstellt – drei Frauen und acht Männer –, hat sie vor einer nach seinen Wünschen angefertigten Leinwand fotografiert und ihre Geschichte in einem professionellen Tonstudio eines Freundes aufnehmen lassen. Die Personen hat er selbst ausgewählt. «Es ist wichtig, dass Beteiligte mit verschiedenen Funktionen zu hören sind. Von der Maschinistin über den Gruppenführer bis zum Kommandanten.» Denn alle zwölf waren zwar am gleichen Ereignis, aber hatten eine komplett andere Vorgeschichte und teilweise auch ein anderes Erleben.

Keine Zensur

Was für Mattias Nutt tägliches Brot ist, war für die Feuerwehrleute Neuland. «Bei einem Ereignis gibt es die klare Direktive, dass nur ich als Auskunftsperson gegen aussen zur Verfügung stehe. Einmal selbst über etwas reden zu können, war für viele ungewohnt», sagt Hansjörg Erni, der nichts zensiert hat. «Es gibt manchmal Ausdrücke zu hören, die nicht unbedingt feuerwehrtauglich sind. Aber das haben wir bewusst so gelassen. Wir sind schliesslich auch nur Menschen.»

Inspiration für das Projekt, das er eher als journalistische Arbeit sieht, fand Mattias Nutt vor drei Jahren im Ground Zero in New York – dem Denkmal, das von den Zwillingstürmen nach dem Anschlag vom 11. September 2001 übrig blieb. «Ich dachte mir, ich will auch mal sowas machen. Nicht im Auftrag von jemand anderem, sondern so wie ich es will», sagt Mattias Nutt. Beim Postautogaragenbrand hatte er sein Motiv gefunden; nach einer spontanen Anfrage ging alles relativ schnell – und endete jetzt in der Ausstellung «Im Einsatz. 1 Ereignis. 12 Geschichten.»

Die Ausstellung ist ab nächstem Samstag, 8. Juni, 10 Uhr, in der Galerie Kunst & Co. – links vom Hotel Sternen – für die Öffentlichkeit zugänglich. Für das Hören der Geschichten der Feuerwehrleute unbedingt genug Zeit einrechnen! 

(Bilder: GRHeute)

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.