Leserbrief: FDP-Flyer zum Waffengesetz

Leserbrief: FDP-Flyer zum Waffengesetz

Leserbrief
03.04.2019

Wie viel Desinformation in einem offiziellen Dokument einer politischen Partei ist tolerierbar?

In der vergangenen Woche flatterte mir als Parteimitglied ein Brief mit der Aufforderung zur Teilnahme einer Umfrage zur Umweltpolitik ins Haus. Als Beilage ein Flyer zu den beiden eidgenössischen Abstimmungen vom 19. Mai. Die Ausführungen zum Waffengesetz sind eine Desinformation der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in unerträglichem Ausmass. So wird schon in der Einführung das Hauptmotiv zur Anpassung des Waffengesetzes unterschlagen. Von Terrorabwehr ist nicht mehr die Rede, dafür von viel süffigeren Argumenten wie Bekämpfung von länderübergreifender Kriminalität, illegalem Waffenhandel und besserer polizeilicher Zusammenarbeit. Offensichtlich hat es auch der FDP getagt, dass das neue Waffengesetz zur Terrorabwehr nicht taugt. Nur, zur Bekämpfung von Kriminalität und illegalem Waffenhandel ist es ebenso ungeeignet und wirkungslos.

Selbstverständlich darf die überhöhte Drohkulisse eines Ausschlusses von Schengen/Dublin nicht fehlen. Eine Unterscheidung, der rein theoretischen Möglichkeit zur realistischen Wahrscheinlichkeit, wird nicht gemacht. Eine grobe Unterlassungssünde in einer fundierten und logischen Lagebeurteilung. Kein einziges Schengen-Mitglied erfüllt 100% der Schengen-Bestimmungen. Das deutsche Kanzleramt publiziert in einer Art Selbstdeklaration, dass 27 Schengen-Bestimmungen nicht übernommen worden sind. Die EU würde weit mehr verlieren als sie gewinnt. Die Schweiz leistet gemessen an der Grösse des Landes und Anzahl Einwohner einen viel zu hohen Beitrag an Schengen (7,2%). Es kann nicht im Interesse Europas sein, im Zentrum einen «weissen» Fleck zu haben, indem Verbrecher/Terroristen unerkannt vom SIS abtauchen könnten. Dass täglich ca. 300’000 Grenzgänger an der Schweizer Grenze wieder kontrolliert würden. Wartezeiten für den Warentransit in Kauf genommen werden müssten usw.

Der Absatz «Niemand wird entwaffnet» enthält nichts als Halbwahrheiten und faustdicke Lügen. Die Behauptung für Angehörige der Armee, auch nach Dienstende, sowie für die Schützinnen und Schützen gebe es keine Änderung ist falsch. Fakt ist, Sturmgewehre 57 sowie Sturmgewehre 90 sind neu Waffen der Kategorie A (verbotene Waffen, deren Privatbesitz nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich ist). Wohl ist die Übernahme von Armeewaffen nach der Beendigung des Dienstes weiterhin unter den bisher gültigen Bedingungen (WES) möglich, aber ab dann gelten für sie die gleichen Bestimmungen und Auflagen wie für alle Waffen der Kategorie A.

80% der im sportlichen Schiessen eingesetzten Waffen sind aktive oder ehemalige automatische Armeewaffen. Die nach der Entlassung aus der Wehrpflicht übernommenen Automaten werden zu Halbautomaten umgebaut. Somit gilt nach neuem Waffenrecht, dass alle diejenigen die ein Stgw 57 oder Stgw 90 schon besitzen, von der Armee übernommen haben, zukünftig übernehmen oder im Handel erwerben, gelten als verbotene Waffen und deren Besitz ist nur mit einer Ausnahmebewilligung möglich. Die Ausnahmebewilligung wird nur erteilt wenn der Antragsteller entweder Mitglied in einem Schiessverein ist oder nachweisen kann, dass er regelmässig schiesst, das heisst in 5 Jahren mindestens 5 Schiessen absolviert hat. Dieser Nachweis ist nach 5 und 10 Jahren unaufgefordert zu erbringen. Werden die Bedingungen nicht erfüllt, erlischt die Ausnahmebewilligung und die Waffe wird eingezogen.

Das bedeutet nichts anderes als einen Bedürfnisnachweis. Oder läuft auf einen Vereinszwang hinaus, was gegen die verfassungsmässige Vereinsfreiheit verstösst. Die angedrohte Beschlagnahmung ist nicht nur unverhältnismässig sondern auch rechtswidrig gemäss Art. 26 der Bundesverfassung. Das Recht auf Waffenbesitz wird ausgehöhlt! Auf etwas Verbotenes besteht grundsätzlich kein Recht! Privater Waffenbesitz wird in Zukunft nur noch geduldet – auf Zeit und mit Auflagen.

Das neue Waffengesetz, über das am 19. Mai abgestimmt wird, ist nicht abschliessend – im Gegenteil, es ist erst der Anfang. Denn gemäss Art 17 der EU Waffenrichtlinie ist eine Überprüfung der Richtlinien auf deren Wirksamkeit nach 5 bzw. 10 Jahren zwingend vorgegeben. Erstmals im Juni 2020 mit Rechtswirksamkeit auf 2022. Es ist zu befürchten, dass dies zu weiteren Verschärfungen führen wird. Dem Bürger bleibt die Mitsprache verwehrt, da es sich dannzumal um eine sogenannte «automatische Übernahme» von EU-Recht. Aus dem Text der Botschaft des Bundesrates und dem einleitenden Text zu der neuen EU-Waffenrichtlinie kann entnommen werden, in welcher Richtung die Verschärfungen gehen werden. Erstens, Überprüfung der Waffenkategorien (man will den privaten Besitz von Serie-Feuerwaffen und umgebauten Halbautomaten grundsätzlich verbieten. Auch Repetierwaffen mit besonderen Zielvorrichtungen stehen im Fokus (keine Scharfschützengewehre im Privatbesitz). Weiter, medizinisch-psychologische Eignungstests als Voraussetzung für jeglichen Waffenbesitz. Das Ganze wird irgendwann im grundsätzlichen Verbot des privaten Waffenbesitzes enden! Das heisst nichts anderes, als eine schleichende Entwaffnung des Schweizer Bürgers.

Der Bundesrat betont in seiner Botschaft sich gegen medizinisch-psychologische Tests mit Erfolg gewehrt zu haben, um später einzugestehen, dass bei der nächsten Überprüfung sowohl diese Tests sowie ein Totalverbot von automatischen- und habautomatischen Waffen kaum mehr vermieden werden könne. Unbestritten ist nach neuem Gesetz, dass aktuelle Besitzer von Stgw 57 oder Stgw 90 den rechtmässigen Besitz dieser Waffen innerhalb von drei Jahren beim Kanton zu bestätigen haben. Obwohl dies nur für noch nicht registrierte Waffen gilt, ist es dennoch eine Nachregistrierung, welche das Volk 2011 klar abgelehnt hat.

Der Abstimmungskampf ist lanciert! Man staunt, mit welcher Unverfrorenheit Mitglieder des Bundesrates, die Verwaltung und offizielle Stellungnahmen von Parteien, gegen besseres Wissen und Gewissen Halbwahrheiten verbreiten und durch das Weglassen wichtiger Tatsachen den Eindruck erwecken, die Gesetzesänderung sei harmlos und ohne nachteilige Wirkung für die Schützen. Das führt abschliessend zur Frage nach der Moral und Ethik. Ist eine bewusste Irreführung der Meinungsbildung durch Behörden und politischen Parteien in so gravierender Form tolerierbar? Ich meine nein, das ist nichts anderes als Manipulation.

 

Bernhard Lampert

Kampagnenleiter Graubünden gegen das Waffengesetz