Hat das Hotel Löwe in Mulegns eine Zukunft?

Hat das Hotel Löwe in Mulegns eine Zukunft?

GRHeute
26.07.2018

Die Nova Fundaziun Origen wird sich im Wakkerjahr 2018 für den Erhalt und die Renovation des Posthotels „Löwe“ in Mulegns einsetzen. Das kulturgeschichtlich wertvolle und einzigartige Ensemble soll für die Nachwelt erhalten und mit neuem Leben erfüllt werden. In einer ersten Etappe müssen die Mittel für die dringendsten Baumassnahmen, für den Ankauf, für Dokumentationsaufgaben, Forschung, Planung und Finanzierung aufgebracht werden. Die Zeit drängt.

Das Dorf Mulegns im bündnerischen Surses verdankt seine bauliche Gestalt und seine wirtschaftliche Existenz dem Passverkehr. Die Strassen über den Julier- und den Septimerpass gehörten einst zu den wichtigsten Alpentransversalen und haben das Dorf geformt. Im neunzehnten Jahrhundert entstand rund um das Hotel Löwe ein spätklassizistischer Dorfteil, der nebst den Wirtschaftsbauten des Posthotels zwei architektonisch bedeutende Emigrantenhäuser umfasst.

Einmaliger kulturgeschichtlicher Wert
Das gesamte Ensemble des Hotels «Löwe» umfasst mehrere Gebäude. Dazu gehören der Hotelbau mit Anbauten, das hauseigene Elektrizitätswerk, das Posthaus, die Pferdeställe und die ehemalige Schmiede. Das fast vollständig erhaltene Ensemble ist von grossem historischen Wert und kulturgeschichtlicher Bedeutung. Die Kunsthistorikerin Ludmila Seifert schreibt: «Das Hotel Löwe in Mulegns gehört zu den traditionsreichsten Gasthäusern in Graubünden. Errichtet 1872 in Zusammenhang mit dem Postkutschenverkehr zwischen Chur und dem Oberengadin, ist es ein kulturgeschichtlich wichtiger Zeuge aus der Pionierzeit der Bündner Fremdenindustrie. Als einem der letzten in grossen Teilen authentisch erhaltenen Beispiele des frühen Hotelbaus im Kanton kommt ihm auch in denkmalpflegerischer Hinsicht grosse Bedeutung zu. Seit Jahren nur noch als Garnibetrieb geführt, steht das einst prestigeträchtige Haus heute vor einer ungewissen Zukunft.»

Existentiell bedrohtes Ensemble
Das Posthotel «Löwe» in Mulegns ist existentiell bedroht. Die Bausubstanz des ehrwürdigen Hauses droht zu verfallen. Wertvolle Dokumente und Fotografien müssen dringend fachgerecht gelagert werden. Strassenbauprojekte gefährden das historisch wertvolle Ensemble. Die heutige Besitzerfamilie Willi kann das Hotel nicht weiterführen. Abwanderung und Überalterung der Bevölkerung entziehen dem Dorf die Lebenskraft. Mulegns braucht neue Ideen.

Dringende Massnahmen zur Rettung des Bestandes
In Mulegns sind Sofortmassnahmen notwendig, um die Bausubstanz zu retten. Die Dächer über dem sogenannten «Neubau», vom Hotel-Architekten Nikolaus Hartmann erstellt, müssen notgesichert werden, um Wassereinbrüche zu verhindern. Die strom- und wasserführenden Leitungen müssen überprüft und situativ saniert werden. Die wertvollen Dokumente – Fotografien, Rechnungsbücher, Briefe, Verträge, Gästebücher – müssen fachgerecht gelagert werden. Das wertvolle Mobiliar, Wandbilder, Vorhänge, Geschirr und andere Einrichtungsgegenstände müssen inventarisiert und gelagert werden. – Diese Sofortmassnahmen sind notwendig, um Folgeschäden zu verhindern und die Substanz zu schützen.

Wissenschaftliche Forschungsarbeiten und Buchedition
Parallel zu den Sicherungsarbeiten soll die Geschichte des Hotels, des Dorfes und seiner Gäste aufgearbeitet werden. Gestützt auf die Forschungsarbeiten des Bündner Heimatschutzes soll ein reich illustrierter Band entstehen, der die Funktion des Posthotels in der Gründerzeit des alpinen Tourismus darstellt und – anhand von Portraits der illustren Gästeschar – die Bedeutung des Hauses in der ausgehenden Belle Epoque beschreibt.

Massnahmen während der ersten Etappe
Die erste Etappe dauert bis Ende 2020. In dieser Zeit soll das Hotel Löwe intensiv genutzt werden. Der historisch einmalige Bestand wird für Ausstellungen und kulturelle Veranstaltungen genutzt, die Zeitreisen ermöglichen. Ein temporärer Pavillon auf dem Parkplatz des Hotels beherbergt eine Informationsstelle. In der Zwischensaison werden Sicherungsmassnahmen in die Hand genommen. Die erste Etappe ermöglicht Erfahrungswerte, die in die Planung des zukünftigen Betriebes einfliessen werden. In der ersten Etappe wird auch die Finanzierung der umfassenden Renovationsarbeiten in die Hand genommen. Die Kosten für die erste Etappe belaufen sich auf CHF 2.2 Mio.

Konzeptuelle Arbeiten und öffentliche Teilhabe
Die erste Etappe umfasst nebst Sicherungs- und Dokumentationsmassnahmen auch umfassende konzeptuelle Arbeiten. Wie kann das Posthotel Löwe – und mit ihm das ganze Dorf Mulegns – die Zukunft meistern? Welche Perspektiven hat ein in die Jahre gekommenes Hotel an einer rege befahrenen Passstrasse? Wie kann das Dorf Mulegns neu belebt werden, wie gestaltet sich Teilhabe in einem Entwicklungsprozess?

Potential und Vision
Das Dorf Mulegns verdankt seine Existenz dem Passverkehr. In den Bauten des kleinen Dorfes spiegelt sich die grosse Kulturgeschichte des Reisens. Das Posthotel erzählt von den Anfängen des Tourismus in Graubünden. Die Emigrantenhäuser belegen die jahrhundertealte Auswanderungsgeschichte der Bündner. Dieses einmalige Potential soll auch die Zukunft prägen: in Mulegns soll ein Ort des Reisens entstehen, das den Bogen von der alttestamentarischen Völkerwanderung bis zur heutigen Migration spannt. Origen- Intendant Giovanni Netzer: „Wir befassen uns mit mittelalterlicher Kolonisation und moderner Abwanderung, mit Strassenräubern und Postillionen. Wir erzählen von Marco Polo und seinen Indienreisen, von Hannibal und seinen Elefanten, vom Kriegszug des grossen Alexanders, von Pilgerfahrten und Kreuzzügen, Forschungsreisenden und Mondlandungen, von Zuckerbäckern und Kriegssoldaten, die einst in die Welt zogen. Und von der grossen Krankheit der Bündner, dem Heimweh. Ein solcher Ort des Reisens ist einmalig im europäischen Kontext.“

 

(Bild: zVg.)

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