Doping ist ein Betrug an sich selbst, darf Doping deshalb frei gegeben werden?

Doping ist ein Betrug an sich selbst, darf Doping deshalb frei gegeben werden?

Gastkommentar
13.02.2018

Ein Kommentar von Gaudenz Bavier, Präsident GLP Graubünden

Zurzeit finden die 23. Olympischen Spiele – oder Windspiele- in Korea statt. Noch selten ist vor einen Grossanlass so viel über Doping diskutiert, debattiert und geschrieben worden. Noch selten war die Verwirrung über die Zulassung und Sanktionen von Athletinnen und Athleten -vornehmlich russischer Abstammung- so gross. Sanktionen, die das IOC auf Antrag der World Antidoping Kommission WADA traf, wurden vom Internationalen Sportgerichtshof CAS aufgehoben und tags darauf, kurz vor der Eröffnungsfeier der Spiele, verweigerte das IOC die Teilnahme 39 russischer Athletinnen und Athleten. Das ganze Hin-und Her zeigt einmal mehr die gesamte Problematik der Dopingbekämpfung und letztlich den Vollzug der Antidopingkonventionen durch die Strafverfolgungsbehörden.

„Pecunia non olet“ ist eine lateinische Redewendung und bedeutet: Geld stinkt nicht. Oder wie der Amerikaner sagt: „Where money talks, bullshit walks“. Die beiden Redewendungen sagen unmissverständlich das Gleiche: Wo viel Geld im Spiel ist, ist der Versuch des Betrugs immer hoch. Das ist nicht nur im Sport so, leider je länger je öfter auch im Alltag. Überall wird geschummelt und gelogen, bei den schweizerischen Postbetrieben, bei den Banken, bei der Krankenkasse (KPT), im Baugewerbe und bei Spitzenmanagern. Verlierer sind die Kunden, der einfache Konsument und Bürger, der sich an die Regeln und Werte unserer Gesellschaft hält. Irgendwie verständlich, dass die Menschen das Vertrauen in die Obrigkeit, in die Politik verlieren.

Wer glaubt, dass Volksvertreter das Volk vertreten, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.

Es geht längst nicht mehr um das Wohl des Volkes, sondern viel mehr um den Wohlstand einiger Weniger, die den Hals nicht voll genug bekommen können. Die Gewinnmaximierung von Firmen schafft Steuersubstrat, wenn diese Firmen ihre Gewinne auch wirklich in der Schweiz versteuern und ihre Manager nicht im grenznahen Liechtenstein domiziliert sind.

Sowohl im Sport wie auch in der Gesellschaft gibt es Regeln und Werte. Diese Regeln werden in unserer Kindheit durch Vorbilder geprägt und gefestigt. Deshalb haben Vorbilder wie Spitzensportler eine enorm hohe Bedeutung für Kinder.

Wir kennen die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow, an derer oberster Stelle die Selbstverwirklichung steht. Die Selbstverwirklichung stärkt unser Selbstwertgefühl. Menschen ohne Selbstwertgefühl suchen oft eine Ersatzbefriedigung, sei es in Form von Statussymbolen oder materiellen Gütern.

„Unsere wichtigste Motivation scheint das Bedürfnis nach einem positivem Selbstwertgefühl zu sein und dieses Selbstwertgefühl wird durch einen Grossteil durch die Bestätigung durch andere befriedigt“, sagt Alain Greenspan, ehem. Vorsitzender der US-Notenbank.

„Was zur Steigerung des Selbstwertgefühls beiträgt, hängt von einer grossen Bandbreite von erlernten oder bewusst gewählten Werten ab, von denen wir irrtümlich oder korrekterweise annehmen, dass sie zur Steigerung unserer Lebensqualität beitragen. Wir können nicht ohne Wertesystem leben, das uns eine Richtschnur in der Vielzahl von Entscheidungen bietet, die wir Tag für Tag zu treffen haben. Das Bedürfnis nach Werten ist angeboren, der Inhalt dieser Werte jedoch nicht“, sagt Greenspan weiter.

Erlangen wir diese Selbstbestätigung durch Betrug oder Doping, durch Abzockerei oder Ausbeutung, erlangen wir höchsten materielle Werte und vorübergehend eine bessere Lebensqualität, eine tiefe Befriedigung verschaffen uns diese materiellen Werte jedoch kaum. Der Betrug im Sport durch Doping ist letztlich ein Betrug an sich selbst.

Soll Doping freigegeben werden?

Diese Frage stellen sich viele Menschen, denn die Forschung nach leistungsoptimierenden Substanzen ist der Kontrolle immer einen Schritt voraus. Der Mensch verfügt über autonom geschützte Reserven, diese Reserven kann ein Mensch im Normalfall nicht mobilisieren. Aufgrund von Doping ist es jedoch möglich, diesen Schutzmechanismus zu durchbrechen und den Körper dermassen auszupowern, bis er der totalen Erschöpfung erliegt.

Der erste und nach wie vor bekannteste Todesfall durch Doping ereignete sich am Freitag, den 13. Juli 1966 am Anstieg des Mount Ventoux, als der Engländer Tom Simpson nach einem Kollaps tot vom Fahrrad viel. In seiner Trikottasche wurden Röhrchen mit Amphetaminen gefunden.

Dieses Beispiel zeigt, dass es bei der Dopingbekämpfung nicht nur um Chancengleichheit geht, sondern um eine regelrechte Lebensprävention. Es gibt Menschen, die für Erfolg alles unternehmen.  Menschen, die aufgrund eines mangelnden Selbstwertgefühls keine Risiken scheuen. Solche Menschen wären an Leib und Seele bedroht und nicht in der Lage, die Risiken leistungssteigernden Substanzen abzuschätzen. Eine Anhäufung der Todesfälle gerade bei jungen Sportlern wäre die Folge davon. Deshalb muss Doping wirksam bekämpft werden und darf niemals frei gegeben werden.

Gaudenz Bavier

Präsident GLP Graubünden