Corina Dietsch – die Frau für alle Todesfälle

Corina Dietsch – die Frau für alle Todesfälle

Sie sieht und räumt weg, was in unserer Gesellschaft nicht gesehen werden will: Corina Dietsch ist Tatortreinigerin und putzt die sterblichen Überreste von Toten weg.

Alle kennen den Tatort, aber fast keiner den Tatortreiniger: Die Comedy-Serie, die Heike «Schotty» Schotte, einen Mann von einfachem Gemüt, bei der Beseitigung der Toten und was von ihnen übrigbleibt, zeigt. Die Mini-Serie wurde für den Grimme-Preis nominiert.

Corina Dietsch, die erste und bisher einzige Tatortreinigerin Graubündens, lacht viel. Sie war einst Polizistin, wie sie an einem «Talk am Berg» im Hotel Schweizerhof auf der Lenzerheide ihrem Gesprächspartner Urs Heinz Aerni erklärt. «Ich war immer vorne dabei. Wenn es darum ging, einen Raum zu betreten, bei dem man nicht wusste, was einen dahinter erwartete, sprintete ich nach vorne und sagte: Ich mach das.» Geschossen hat sie nie; ihre Erfahrungen mit Waffen im Einsatz beschränken sich auf einmal Waffe ziehen.

Zum Tatort reinigen kam sie quasi wie die Jungfrau zum Kind. Irgendwann hatte Corina Dietsch genug vom Polizistendasein und wechselte quasi die Fronten, auch, weil sie natürlich wusste, dass es in Graubünden keine Tatortreiniger gab. «Es gibt viele schwarze Schafe, die reinigen das mit einem nassen Lappen. Das geht natürlich gar nicht.» Ausserdem würden sich auch Putzinstitute zunehmend weigern, die Hinterlassenschaften von Toten zu eliminieren.

Corina Dietsch bekommt ihre Aufträge von der Polizei. Wenn sie ankommt, ist der Tote meist schon weg transportiert worden. Dennoch bleibt noch viel zurück, «bis zu 50 Kilo organisches Material darf im normalen Kehricht entsorgt werden». Beim «organischen Material» sind es je nach Verwesungszustand der Leiche nur Hautreste oder, was ihr auch schon passiert ist, ein Skalp. Ihre Kollegen wollen meist nicht hören, was sie erlebt hat, «dass ein halbes Hirn am Boden geklebt hat».

Ist ein Mensch gestorben, muss es schnell gehen. «Sobald bei einem Körper Flüssigkeiten austreten, muss gereinigt werden. Geraten die Flüssigkeiten beispielsweise in den Parkett, muss man alles erneuern. Das versucht man natürlich zu vermeiden», sagt Corina Dietsch. Sie kommt mit schwerem Geschütz – «es ist eine richtige Materialschlacht». Dazu gehören Handschuhe, Gasmaske, Säcke, Tonnen, Desinfektionsmittel und dergleichen. Manchmal räumt sie mit den Überresten auch das ganze Leben der  Toten muldenweise weg, «wenn es sein muss, auch mehrere Mulden». Wenn Maden herumkriechen, saugt sie diese mit dem Staubsauger des Bewohners ein.

Es gibt die Toten, die Corina Dietsch gern lebend kennen gelernt hätte. Sie sieht vieles, sortiert die Dokumente und wirft weg, was nicht mehr gebraucht wird. Viele Angehörige sind froh, dass es sie gibt, «die sind viel zu sehr mit sich selbst und der Trauer beschäftigt». Sie googelt nie, was der Tote virtuell hinterlassen hat, aber manchmal, wenn sie nach einem Einsatz wieder auf dem Sofa sitzt, muss sie sich mehrmals duschen, weil an einem Finger noch ein letzter Geruchsfetzen klebt, den sie für ihre eigene Psychohygiene ganz loswerden muss.

Warum sie ihren Job liebt? «Man sieht ganz klar was vorher war und was nachher ist.» Von ihrem Job leben kann sie nicht zu 100 Prozent; es wird nicht so viel gestorben in Graubünden, dass es auch ihre Dienste braucht. Deshalb ist sie nebenbei noch Hausmeisterin, weil sie einen Job braucht, bei dem sie bei einem Anruf alles stehen und liegen lassen kann. «Einer Treppe ist es egal, ob sie heute oder morgen sauber wird. Bei Toten zählt wegen der Verwesung jede Stunde.»

Mehr über Corina Dietsch und ihre Arbeit findet sich hier: Tatortreinigung Dietsch. Mehr «Talk am Berg» gibt es jeweils Donnerstagabends im Hotel Schweizerhof auf der Lenzerheide.

(Bild: GRHeute)

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.