Vom Baukran zur White Wall

Vom Baukran zur White Wall

Sie ist gross und weiss und geduldig: Die weisse, magnetische Wand im ehemaligen Starkstromlabor der HTW – das Kernstück des neu errichteten Innovation Service Lab (SIL)

Beginnen wir mit der Theorie: Die HTW Chur hat ein Innovation Service Lab errichtet, das virtuelle Prozesse fassbar machen soll. Die Zauberworte dazu heissen: Digitale Transformation und Industrie 4.0. Mit dem SIL bietet die HTW Unternehmen Hand, sich methodisch mit Produkt- und Dienstleistungsinnovationen und sich mit der Auseinandersetzung von neuen Geschäftsmodellen für die Zukunft zu rüsten – viele Unternehmen sind nämlich auf den Paradigmenwechsel der digitalen Transformation nicht vorbereitet, weil ihnen die passenden Werkzeuge dazu fehlen.

Womit wir bei der Praxis wären. Die Praxis bedeutet in erster Linie, abstrakte Prozesse erlebbar, greifbar und prüfbar zu machen. Das White Board, dass sich über fast die ganze Länge des Raumes und bis an die Decke zieht, dient dabei als dreidimensionales Blatt Papier, auf dem gemalt, gepinnt und geschrieben werden kann. Wem der elektronische Weg lieber ist, der kann auch diesen benutzen – die Anwender sind frei in der Wahl. «Ich bin überzeugt, dass wir hier eine Plattform bieten können», sagte Philipp Bachmann, Leiter des Service Innovation Labs und Dozent für Strategie und Innovation an der Bündner Fachhochschule.

Ein konkretes Beispiel? Die Graubündner Kantonalbank wollte den Kundenprozess der Eigenheimfinanzierung nachvollziehen können und dafür eine App entwickeln. «Dieses Wissen ist extrem wichtig für eine Bank. Wir wollen wissen, nach welchen Kriterien die Menschen, die ein Haus kaufen wollen, entscheiden, welchen Background sie haben, was ihre Wünsche sind», sagte Tiziano Lorez, Leiter Organisation und Projekte der Graubündner Kantonalbank.

Diese App wurde in einem sogenannten fünftägigen «Sprint» entwickelt. Am ersten Tag wurde das Wissen visualisiert, am zweiten Ideen kreiert, am dritten die besten Lösungen gesucht. An Tag vier folgte die Entwicklung der App, und am fünften Tag wurde der Prototyp an fünf Kunden getestet. «Diesen Prototyp zu entwickeln war sehr speziell, weil keine ITler am Werk waren», sagte Lorez. Er zieht eine durchwegs positive Bilanz des «Sprints»: «Es war schön zu sehen, wie das Team zusammen gewachsen ist. Sie sind die besten Botschafter für die App, weil sie sie selbst entwickelt haben und sich mit dem Produkt identifizieren können.»

Die HTW Chur arbeitet in diesem Programm eng mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO zusammen, das sich auf die Entwicklung von Dienstleistungen spezialisiert hat. «Dienstleistungen ist People Work. Man hat mit Menschen zu tun», sagte Thomas Meiren vom IAO. «Da werden ganz andere Mechanismen spürbar.»

Das SIL, das sich auf keinen Fall als Unternehmensberaterin sieht – «wir bieten etwas an, das von keiner Privatperson angeboten wird» – kann von Firmen, insbesondere KMU gemietet werden. Die reine Miete des Raums kostet 990 Franken, mit Moderation bis zu 3000. Vor allem in der Sommerpause sind noch Plätze frei.

 

(Bild: HTW Chur/Yvonne Bollhalder)

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.