Bündner Perlen: «Blududerino – Still feels real» (2005)

Hin und wieder gibt es Platten aus Graubünden, die nie eine grosse Medienaufmerksamkeit erhalten haben oder vielleicht schon in Vergessenheit geraten sind. Dieses neue Gefäss, exklusiv auf GRHeute, wühlt durch alte LP-Kisten, entstaubt CD-Sammlungen und widmet grossen Werken eine kurze, aber ausführliche Plattenkritik mit einem gehörigen Schuss Nostalgie.

Einerseits zur Erinnerung, anderseits zur Aufstockung jeder Tonträgersammlung, aber vor allem um aufzuzeigen, welch vielfältige Bündner Musikszene wir doch haben. Diese Perlen dürfen in keiner kompletten Bündner Musiksammlung fehlen. Willkommen zu den Bündner Perlen.

Den Keyboarder Mike Derungs lernte ich bei meinem kurzem Intermezzo bei der Swisscom 2007 kennen. Er war ein Musiknerd wie ich und wir kamen rasch auf seine Arbeiten mit Blududerino und Coni Allemann zu sprechen. Seine Bluesband Blududerino kannte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich, da Blues nicht gerade mein Metier ist. Was ich aber damals schon sehr interessant fand, war die Tatsache, dass die Jungs mächtig auf Tour waren zu ihrem Album. Sie spielten nicht nur in der Ostschweiz und im Liechtenstein, nein, sie hatten kurzerhand eine Luxemburg-Tour auf die Beine gestellt und Mike schwärmte, wie genial es gewesen ist in fremden Clubs zu spielen. Seit diesem Tag ist es eines meiner grössten Wünsche einmal wirklich ein paar Wochen auf Tour zu gehen. Fern von Zuhause, in den Tag hineinleben und erst am Abend wirklich arbeiten, zu dem noch in einem Bereich, in dem sich das Arbeiten nicht wirklich nach Arbeit anfühlt.

Ich machte die Fliege bei der Swisscom, war rasch (3 Tage) im Militär und begann im August 2008 die Lehre bei der Swisscom. Dort traf ich neben dem Rapper LIV, der mich sehr prägte, auch den Blueser Jean Roland Ryffel. Natürlich kam ich bei ihm relativ schnell auf die Musik zu sprechen. Es war eine grandiose Zeit, viele, die ich kennenlernte, waren stark involviert in Bands oder hatten auch schon Tonträger veröffentlicht. Ich, der junge Prättigauer hatte natürlich noch sehr wenige Erfahrungen mit Musik gemacht und sog alles wie ein Schwamm in mich auf. J.-R., wie wir Roli immer nannten, war ein alter Fuchs in der Szene. Der Mann mit der Gelassenheit von tausend Mönchen besass eine Aura, die vielen Kunden auch Jahre später noch in Erinnerung blieb. Für die Frauen war er durch seine Husky-blauen Augen, für die Männer einfach als ziemlich cooler Dude bekannt und beliebt.

Er hatte es sich mit einer Teilzeitbeschäftigung im Media Markt bequem gemacht und feilte nebenbei noch 40% an seiner Musik. Was bei mir grossen Eindruck schindete. Er war und ist noch immer stark infiziert vom Bluesvirus. Der Blues ist für ihn mehr als nur Rumgejammer und schwere Musik voller Bluenotes. Roli zeigte mir erstmals, dass Blues auch positiv und ziemlich rockig sein kann. Ich kaufte mir die CD von Blududerino und war begeistert. Nun ein paar Jahre später ist «Still feels real» irgendwie immer noch eines der wenigen Bluesalben in meiner Sammlung und doch für mich ein wichtiges Stück Bündner Musikgeschichte. Die Geschichten berühren immer noch sehr und die CD, das weiss ich von den CD-Verkäufern im Media Markt ist ein Dauerbrenner. Meistens ist es ja so, dass eine CD sich in den ersten paar Monaten enorm gut verkauft und nachher ein wenig abflacht. Doch diese Bluesscheibe ist zeitlos. Drum wage ich es nun, ein paar Jahre später nochmals reinzuhören.

«Foolish Longing» beginnt groovig und sehr tanzbar. Die etwas dünne Stimme von Roli erzählt von Abschied, Beziehungsende und über’s nicht klar kommen damit. Das bluesige Solo nach dem ersten Gesangspart bringt die Stimmung, des Versuchens unglaublich gut auf den Punkt und fügt sich fantastisch in den Song. Ein gekonnter Opener, der zeigt in welche Richtung es geht. Unaufdringlich und doch voller Message.

«You make me» ist ein fetter Partytrack gesungen vom Schlagzeuger René Litscher, der unglaublich in die Beine geht. Blues mit viel Drive nach vorne, ohne künstlich zu wirken. Instrumental kommt hier nach dem kurzen Gitarrenintermezzo das grosse, virtuose Solo vom heutigen Euphoriatästeler Mike Derungs. Rock’n’Roll!

Das Cover «C’Mon Suzie» der Davey Brothers passt wie die Faust auf’s Auge zu Blududerino. Hier wurde ein sensationelles Cover gepickt, dass sich gleichwertig zu den Eigenkompositionen gesellt und nicht wie ein Fremdkörper wirkt. Riessige Nummer, die zum Abschluss noch unplugged dargeboten wird. Sehr gekonnt und mit viel Mitsinggarantie versehen.

«Mary had a little Lamb» von Buddy Guy ist ein Bluesstandart, der auf jede Blues-CD gehört und hier auch nicht wirklich stört. Nochmals zeigt J.-R. Ryffel wie viel Fingerspitzengefühl er hat, wenn es ein sauberes, ins Herz gehendes Solo braucht. Gelungen.

«Sweetest Thang» zeigt endlich wieder die Songwriterqualitäten der Churer Band. Groovig, bluesig und doch nicht langweilig. Diese Nummer wird seiner Frau sicherlich heute noch hin und wieder einen grauen Herbsttag versüssen. Eine Ballade muss nicht immer in laschen Tempo gehalten werden. Hier ist der Beweis.

«The sky is crying» von Elmore James ist wieder ein grandios gepicktes Cover, dass leicht an «Still got the blues» von Gary Moore erinnert. Obwohl ich weiss, dass er diesen nicht besonders wertschätzt, erinnert es mich an dieses Lied. Ein Song zum die Feuerzeuge zücken und sich ganz nahe an die Liebsten zu kuscheln.

«Gone before dawn» beginnt mit einem gekonnten walking bass vom heutigen Hampa-Bassisten Beat Brot. Blues zum Joggen oder für ins Fitnesszentrum, da es wahnsinnig nach vorne treibt und animiert zum nach vorne gehen, auch wenn man gerade verlassen wurde, wie im Song.

«Blues this Morning» rockt ganz heftig und erinnert leicht an Status Quo mit einen blauen Touch. Auch ein Cover, dass jedoch einem Bluesgreenhorn wie mir easy als Eigenstück verkauft werden könnte, da es sich so selbstsicher in die Playlist fügt.

Eine starke Eigenkomposition ist «Rock Bottom», die durch ein sehr repetitives Riff immer wieder neue Wucht entfaltet und auch Nicht-Blues-Hörern in die Knochen fährt. Gelungen.

Der Titeltrack «Still feels real» ist auch heute noch mein Lieblingstrack von Blududerino. Weil es schlicht und einfach ein grandioses Stück ist und sofort in den Gehörgängen hängen bleiben. Das grossartige Gitarrensolo, der stetige Groove, der wirklich tolle Text und die Mitsinggarantie. Wenn es einen Song gibt, der alle Facetten der Band vereint, ist es dieser hier.

«Tres Cervezas» ist grandioser Instrumentalblues, bei dem Mike Derungs seine Hände zaubern liess und die anderen zu einem coolen Outrotrack animiert hat. Bevor Suzie am Schluss nochmals unplugged angefleht wird. Spannend.

Schlussfazit:

«Still feels real» macht auch heute noch sehr viel Spass beim Hören. Denn die Jungs Beat Brot, Mike Derungs, René Lüscher und Jean-Roland Ryffel machen das, was sie am Liebsten machen und auch am Besten können. Dies ist Blues voller Herzblut und Leidenschaft. Ideal geeignet als Einstiegswerk in den Musikstil Blues, sowie als Ergänzung der Plattensammlung um eben diesen.

Mehr Infos zu der Band gibt’s auf www.blududerino.ch

 

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Chris Bluemoon

Redaktor Kultur
Hauptberuflich Radio-Journalist mit viel Leidenschaft für die Musik, die Poesie und das ganz grosse Chaos.