Ceta, TTIP und die Unfähigkeit der EU

Ceta, TTIP und die Unfähigkeit der EU

Der wöchentliche GRHeute-Blick von Franco Membrini auf einen internationalen Brennpunkt.

 

Nach dem Widerstand gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU ist nun auch der Abschluss des CETA, das Abkommen mit Kanada, ungewiss. Was die Unfähigkeit der EU bedeutet und wie sie die Zukunft der Europäischen Wirtschaft gefährdet.

Ein Argument der Brexit-Befürworter war, dass Grossbritannien bei einem allfälligen Austritt aus der Union wesentlich freier in Bezug auf die Verhandlung von Freihandelsabkommen und anderen internationalen Verträgen wäre. Die Gegner führten stets ins Feld, die EU könne genauso gut Freihandelsabkommen mit aller Welt aushandeln und so zur Genesung der maroden Ökonomie weiter Teile der Union beitragen. Wie sich jetzt zeigt, kann die EU es nicht. Das TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) wird von einigen EU-Regionen auf das heftigste kritisiert. Befürchtet werden der angeblich unkontrollierbare Einfluss von Wirtschaft und Industrie auf die EU-Gesetzgebung, der bevorstehende Verlust kultureller Vielfalt oder drohende Privatisierungen von Staatsbetrieben. Auf der anderen Seite hingegen steht die Gewissheit eines ökonomischen Wachstums im krisengebeutelten Europa, die Etablierung der grössten Handelspartnerschaft der Welt, sinkende Preise für Konsumgüter und spürbar höhere Einkommen. Alle nationalen Regierungen innerhalb der Union, alle grösseren Wirtschaftsverbände und die meisten Ökonomen sind sich einig: Das TTIP kann für Europa nur gut sein. Auch aus Schweizer Sicht kann man nur an einem Abschluss der Abkommen interessiert sein; schliesslich liegt uns das wirtschaftliche Wohl unseres grössten Handelspartners ja am Herzen. Und trotz allem fällt es dem bürokratischen Leviathan in Brüssel sehr schwer, die Verhandlungen vorwärts zu bringen, geschweige denn abzuschliessen.

Neben dem TTIP steht momentan auch das Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement) auf der Kippe. Das Abkommen mit Kanada bekam in den letzten Tagen vermehrt Aufmerksamkeit in den Medien, nachdem dem kanadischen Premier Trudeau der Kragen platzte. Trudeau brachte die wirtschaftspolitischen Kompetenzen der EU auf den Punkt: «Wenn sich zeigt, dass Europa unfähig ist, einen fortschrittlichen Handelspakt mit einem Land wie Kanada abzuschließen, mit wem glaubt Europa dann eigentlich noch, in den kommenden Jahren Geschäfte machen zu können?» Zuletzt scheiterte der Abschluss des Abkommens am Widerstand der südbelgischen Region Wallonien, die auf europäischem Niveau so klein wie wirtschaftlich unbedeutend ist. Natürlich macht die EU zurzeit keine leichte Phase durch, denken wir nur an Brexit, Flüchtlingskrise, Finanzkrise im Süden, Konflikt in der Ukraine etc. Und doch sind es eben diese Zeiten, die den Prüfstand jeder politischen Organisation darstellen. Die Union scheint mit sich selbst beschäftigt, unfähig, die dringend benötigten Abkommen zu ratifizieren.

Die Episode zeigt darüber hinaus die völlig verfehlte politische Struktur unseres grossen Nachbarn. Eine Provinz in Belgien kann ein gesamteuropäisches Projekt blockieren. Nun ist es natürlich legitim, dass solche Vorhaben nicht jedem gefallen können, aber genau da liegt der Hund begraben. Ein quasi-Superstaat mit 500 Millionen Bürgern kann es nicht allen Recht machen, insbesondere dann nicht, wenn er aus so zahlreichen und unterschiedlichen Nationalitäten zusammengeflickt wird. Das Konzept Europäische Union funktioniert diesbezüglich einfach nicht. Die Briten machen nun dem ganzen Kontinent vor, wie es gemacht werden kann. Statt sich an der ergebnislosen Unionspolitik zu beteiligen, schliessen sie in Zukunft ihre eigenen Verträge ab, ob es den Wallonen passt oder nicht.

 

(Bild: In Namur, Sitz des wallonischen Parlaments, wird das europäisch-kanadische Handelsabkommen blockiert/Wikipedia, Jean-Pol Grandmont)

author

Franco Membrini

Kolumnist
Hat an der University of Edinburgh seinen «Master of Science in History» absolviert. Zuvor studierte der Churer Geschichte, Betriebsökonomie und Staatsrecht an den Universitäten Bern und Bologna.