«How to Kneipp the American way»

«How to Kneipp the American way»

Und wieder mal stand der Besuch einer Journalistin auf meinem Programm. Diese Begegnungen sind für mich fast ausnahmslos erfreulich, kurzweilig und lehrreich zugleich. Die Besucher haben oft ihrerseits interessante Storys von anderen schönen Orten zu berichten und informieren uns über die Eigenheiten ihres Ursprungslandes, resp. unseres Zielmarktes.

Unsere PR-Agentur vermittelte uns kürzlich eine amerikanische Reisejournalistin von grossem Format für unsere Hotels in Arosa. Das Spezialgebiet der New Yorkerin: „Organic Offers & Health“. Mit Fleisch, Fisch und Pilzen könnte sie übrigens nichts anfangen und die von uns vorgeschlagene Wanderung sollte auch nicht zu lang und zu anstrengend werden, hiess es beim Briefing. Ich dachte erstmal: Hoppla! Was sollten wir anbieten, wenn jemand vermeintlich schon alles gesehen hat auf dieser Welt und gleichzeitig unseren Aktionsradius etwas einschränkt? Ich entschied mich schliesslich für ein Molkebad mit frischer Molke der Sennerei Maran Arosa und eine frühmorgendliche Kneipp-Kur am Schwellisee auf 1900 m ü. m.

Bei unserem gemeinsamen (sehr gesunden) Essen am Vorabend war die Skepsis der Dame deutlich zu spüren, als ich ihr von diesen Plänen berichtete. Schnell war aber auch klar, dass mein Gefühl, hier einen Top-Shot am Tisch zu haben, nicht nur bestätigt, sondern weit übertroffen wurde. Die Journalistin entpuppte sich als absoluter Spa-Guru. Egal, welches Stichwort ich ihr auch hinwarf – sie nahm jeden Punkt auf und schien so gut wie jede Spa Anlage und jede Anwendung dieser Welt zu kennen. Es gab nichts, was ihr neu war, sie war einfach schon überall gewesen und wusste über alles Bescheid. Ein spannendes und zugleich etwas unheimliches Gespräch. Mir war nicht klar, wie wir mit unserem Wagnis bei ihr abschneiden würden.

Als erste echte Herausforderung stellte sich die Wanderung mit einer nicht so wirklich berggängigen Städterin von der Tschuggenhütte hoch zum Schwellisee heraus. Wir passten das Tempo an und nützten die Zeit für Gespräche. Äusserst interessant waren ihre Schilderungen zum Thema Lifestyle und Reisegewohnheiten in den USA. Dass die Amerikaner nur über rund zwei Urlaubswochen verfügen, wussten wir, aber dass diese sehr oft gar nicht in Anspruch genommen werden, war neu. Weil die Zeit in der Arbeit einen sehr grossen Bereich im Leben der Menschen einnimmt, findet Lifestyle vorrangig im Fernsehen und in den Hochglanzmagazinen statt – im Alltag der meisten Menschen dagegen nur selten. Die Schweiz werde von den US-Bürgern als sehr traditionell, teuer und gerne auch als ein wenig langweilig empfunden.

Zurück zu unserer Kneipp-Kur. Am Alpenblick angelangt übernahm der „Geissenpeter“ das Zepter und forderte unseren Gast nach kurzer Einführung gleich mal auf, die Schuhe auszuziehen und den Marsch barfuss durch die feuchte Bergwiese fortzusetzen.

Pic
Der Geissenpeter vom Restaurant Alpenblick Arosa mit der Journalistin.

Pures Entsetzen! Das hatte sich die weitgereiste Spa-Spezialistin dann doch anders vorgestellt und wählte fürs Erste die „mit-Socken-kneippen-Variante“. Dies wiederum führte zu sehr hochgezogenen Augenbrauen unsererseits und nur dank des äusserst charmanten Begleiters gelang es, die Dame schliesslich zu überreden, das wahre Feeling auszukosten. Ganz nach dem Motto: Andere Länder – andere Sitten. Nach ihrem mutigen Gang durch die seichten Tiefen des Schwellisees war der Bann gebrochen. Tief bewegt und sichtlich gerührt bekannte die Lady aus New York, noch nie etwas so Einzigartiges erlebt zu haben. Einfach nur grossartig!

„So real, so touchy, so natural…“.

Ihren nächsten Schweiz-Besuch hat sie bei unserer Fahrt zurück nach Arosa noch für diesen Oktober fixiert. ☺

 

Kommentar

Liebe Corinne

Kompliment für Deinen Artikel, der höchst amüsant zu lesen ist. Wer wagt, gewinnt! Ihr habt gewonnen und die Lady aus den Staaten nachhaltig überrascht. So einfach ist das heute gar nicht mehr. Auch bei Gästen nicht, die über weit weniger touristisches Fachwissen und Erfahrung verfügen als Euer „Top-Shot“ aus den USA. Viele Reisende haben ja mittlerweile Saunen und Dampfbäder auch zu Hause, kneippen im eigenen Pool und peelen sich jeden Morgen unter der Dusche, um sich danach ins städtische Leben zu werfen.

Zurück zur Natur – ein altes Credo erlebt eine Renaissance. Wer von uns erinnert sich nicht an ähnliche Situationen wie die von Dir beschriebene. An die Schulreise in die Berge beispielsweise, bei der man die Füsse ins kühle Nass eines Bergsees eintauchen konnte. Was für ein überraschendes Gefühl! Welche Wohltat für die Füsse und den Geist!

Eine Rückbesinnung zeichnet sich tatsächlich auch in der Spa-Landschaft ab: Weniger ist mehr, heisst der Trend. Die Journalistin aus New York hat es auf den Punkt gebracht: „Real, touchy und natural“ soll das Gästeerlebnis sein. Vergangenes Weekend unternahm ich, zusammen mit einer guten Freundin, ebenfalls eine Reise zurück zur Natur. Ein Bericht darüber wird in wenigen Tagen in dieser Rubrik bei GRHeute zu lesen sein.

Liebe Grüsse

Claudia Züllig-Landolt
Gastgeberin

 

Die Tourismus-total-Expertenrunde von GRHeute berichtet und kommentiert einmal wöchentlich über aktuelle Tourismusthemen für Graubünden. Unverblümt und direkt von der Front.

author

Corinne Denzler

Kolumnistin Tourismus
CEO Tschuggen Hotel Group