Bündner Perlen: «STRIKE –  UNRESTRICTED EMOTIONS» (2002)

Bündner Perlen: «STRIKE – UNRESTRICTED EMOTIONS» (2002)

Hin und wieder gibt es Platten aus Graubünden, die nie eine grosse Medienaufmerksamkeit erhalten haben oder vielleicht schon in Vergessenheit geraten sind. Dieses neue Gefäss, exklusiv auf GRHeute, wühlt durch alte LP-Kisten, entstaubt CD-Sammlungen und widmet grossen Werken eine kurze, aber ausführliche Plattenkritik mit einem gehörigen Schuss Nostalgie. Einerseits zur Erinnerung, anderseits zur Aufstockung jeder Tonträgersammlung, aber vor allem um aufzuzeigen, welch vielfältige Bündner Musikszene wir doch haben.

Diese Perlen dürfen in keiner kompletten Bündner Musiksammlung fehlen. Willkommen zu den Bündner Perlen.

Wie merkt man, dass man langsam alt wird? In dem man im Internet nachschaut, wann ein Konzert war und man merkt, dass man viele Bands schon länger als zehn Jahre kennt. So geschah es gestern Abend, als ich nach einem Event recherchierte, der 2003 stattgefunden hat. Das sind vom heutigen Tag zurück gerechnet satte 13 Jahre. Was mich doch leicht melancholisch stimmte und mich dazu veranlasste ein wenig Musik aus meiner Jugendzeit aufzulegen. Also hörte ich ein wenig Limp Bizkit, Papa Roach, sowie Metallica und fühlte mich gleich wieder ein wenig jünger. Ich kam zu dem Schluss, dass früher einiges besser war, aber es jetzt auch gut so ist, wie es ist.

2003 war ich süsse 15 Jahre jung. Damals war ich noch kein Rockmusiker, sondern habe in der Jungmusik Jenaz oftmals zu laut den Takt angegeben.

Am 13. und 14. Juni 2003 war dann der grosse Tag gekommen: In Chur fand das 14. Jungmusikfest statt. An unsere kleinen Konzerte erinnere ich mich nicht mehr so gut, umso besser aber an das Abendprogramm. Denn das war so ziemlich mein erstes grosses Konzert als Besucher. Es spielten in der Stadthalle Chur «Blow Job & the BJ Horns», «The Fancy Girls», sowie «Romacs» und «Strike».

Die Romacs blieben mir sehr präsent, weil ich ein paar Jahre später deren Pianisten Roman Frigg in meiner Band Crossbones willkommen heissen durfte und mir ihre Show grossen Eindruck hinterlassen hatte. Wir kamen ein paar Jahre später auf diese Veranstaltung zu sprechen und merkten, dass ich mich auf der Hinterseite ihrer CD Achtung Aschtekend verewigt hatte. Denn ich genoss den ganzen Abend von der ersten Reihe aus und sie schossen genau an diesem Abend ein Bild mit mir darauf. Eine lustige Geschichte, doch in diesem Falle nur eine Randnotiz, denn es stand an diesem Abend noch eine andere Band direkt vor meinen Augen auf der grossen Bühne: Strike.

Der kleine Bluemoon, der sich damals noch Christian Imhof nannte und meilenweit von einer eigenen Band, respektive auch vom Rausch und Rock’n’Roll entfernt war, wartete gebannt auf sein erstes Rockkonzert. Der Host lobte ihre Eigenständigkeit, da sie nur Eigenkompositionen spielten. Das beeindruckte mich auch sehr und gab mir eine Mentalität mit auf den Weg, die ich bis heute verfolge: Eigene Songs sind immer geiler als Covers! Zudem erwähnte er den Titel «I’ll never break your heart», der zwar an die Backstreet Boys erinnere, jedoch ihr grosser Radiohit sei.

Das Konzert ging los und Strike spielten sich die Seele aus dem Leib. Das war so anders, als irgendwelche Coverbands. Das hatte Charme, Stil und riss fast den Laden ab. Ich war augenblicklich total verschossen in die Sängerin Silvia Tschümperlin, die sich lasziv am Mikrophone räkelte und nur darauf wartete bis ihr die Herzen zuflogen.

Die Band groovte und ich war sofort Fan. Das geniale Zusammenspiel, die schmissigen Songs, die Publikumsanimationen und das Abrocken – genau so wollte ich es auch mal machen. Sie waren regelrechte Rockstars an diesem Abend und genau so wollte ich auch werden.

Mit diesen Erinnerungen machte ich mich auf den Nach-Hause-Weg und wollte so rasch es ging ihre CD in den Händen halten. So kam es, dass zufällig Angelika Luzi, eine Kollegin aus der Jungmusik Jenaz, eben genau diese Perle bei sich zu Hause hatte und sie mir auslieh. Die Ep «Unrestricted Emotions» lief nun täglich in meinem CD-Player und ich wurde grosser Fan der Truppe. Damals war das inzwischen eingestellte Jugendmagazin High5 gerade aufgekommen und man konnte sich als Member gratis ein Shirt drucken lassen. Ich liess mir damals den Namen Strike auf das Shirt drucken und trug es voller Stolz.

Die EP der Band war zwar relativ kurz geraten, machte aber unglaublichen Spass. Da gab es neben dem oben erwähnten Überhit den funky Song «Between You», der die Geschichte eines Scheidungskindes erzählt, die Mutmacherballade «Open Door», das Rockbrett «Better ground» mit grossem Gitarrenriff, sowie der tanzbare «Leave me alone» und die Acapellanummer «Freedom». Für mich war Strike bestehend aus Marco Tscholl, Flavian Gieriet, Silvia Tschümperlin, Mario Melcher und Claudio Bezzola lange Zeit eine der coolsten und frischesten Bündner Acts.

Darum verstand ich es nicht ganz, wieso sie sich in «Notschtrom» umbenannten und begannen nicht mehr ganz so tolle Mundartmusik zu produzieren. Später wurden sie zu «Gifted» und ich war wieder Feuer und Flamme.

Dann spielte ich einige Konzerte mit ihnen und genoss die Retrospektive des Strike-Repertoires. Heute heisst die Band «Cross 186» und macht munter weiter Musik. Ich, jedoch höre immer noch gerne diese EP von Strike und schwelge leidenschaftlich in Erinnerungen.

 

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Chris Bluemoon

Redaktor Kultur
Hauptberuflich Radio-Journalist mit viel Leidenschaft für die Musik, die Poesie und das ganz grosse Chaos.