tourismus.total: Zum 725. Geburtstag der Schweiz

tourismus.total: Zum 725. Geburtstag der Schweiz

Auch dieses Jahr wurden wiederum Land auf, Land ab unzählige Ansprachen und Reden zu unserem Nationalfeiertag gehalten. Am TV, im Radio und live auf vielen geschichtsträchtigen, öffentlichen Plätzen. Die 1. August-Ansprache gehört zum Nationalfeiertag genauso wie das Feuerwerk, die Lampions und der Cervelat. Die meisten Reden stellen unsere 725-jährige Geschichte ins Zentrum. Ich möchte in meinen Gedanken zum 1. August in der heutigen, modernen Schweiz bleiben.

Was mir meine Heimat wirklich bedeutet, wird mir immer dann besonders klar, wenn ich im Ausland bin. Vor zwei Wochen beispielsweise, als ich zusammen mit meinem Mann und unseren beiden Söhnen in den USA weilte. Wenn man mit Amerikanern ins Gespräch kommt, dann schwärmen sie meist sehr rasch von den Bergen, dem klaren Wasser, der weltbesten Schokolade (die direkt aus den Bergen zu fliessen scheint) und der heilen Welt, die sie in unserem Land vermuten. Gar so idyllisch ist es bei uns auch in den Bergregionen natürlich nicht. Trotzdem erfüllt mich als Hotelgastgeberin der Blick auf mein eigenes Land immer wieder mit Freude und durchaus auch mit Stolz. Stolz ist ein Begriff, der in der Zeit der 1.-August-Reden Hochkonjunktur hat. Genauso wie die Begriffe SCHWEIZ – MENSCHEN – ZUKUNFT – WOHLSTAND – GLÜCK. Hier ein paar persönliche Gedanken zu diesen Begriffen.

Schweiz

Die Schweiz bedeutet für mich Heimat. Und Heimat ist für mich dort, wo ich am liebsten bin, wohin ich immer wieder gerne zurückkehre. Mit der Schweiz verbinde ich die Liebe zu meiner Familie, aber auch zu unseren tollen Mitarbeitenden, die aus den unterschiedlichsten Ländern stammen und von denen viele hier in der Schweiz eine zweite Heimat gefunden haben. Sie leben zusammen mit uns die «Schweizer Gastfreundschaft», Tag für Tag.

Menschen

Was gibt es Schöneres, als in einem Beruf tätig zu sein, in dem man mit anderen Menschen zusammenarbeiten kann – im eigenen Betrieb, aber auch darüber hinaus bei unseren touristischen Angebots- und Ausbildungspartnern, wie den Bergbahnen, den Tourismusorganisationen oder den Berufsschulen? Für mich am allerschönsten ist es, unsere Gäste rundum verwöhnen und glücklich machen zu können.

Zukunft

Als aktive Berufsfachfrau liegt mir der Nachwuchs besonders am Herzen. In der Schweiz verfügen wir über eines der besten dualen Ausbildungssysteme mit vielen Hotelfachschulen. Leuchtturm unter diesen Hotelfachschulen ist die Ecole hôtelière de Lausanne, die unbestrittene weltweite Nummer 1 unter den Universitäten und Fachhochschulen der Beherbergungsindustrie. Ausserdem sind jedes Jahr mehrere junge, frisch ausgebildete Berufsfachleute aus der Schweiz auf den vordersten Rängen der Berufsweltmeisterschaften zu finden. Hier sind wir also durchaus Weltklasse.

Wohlstand

Wir dürfen uns glücklich schätzen, in einem Land zu leben, in dem seit mehreren hundert Jahren Frieden herrscht und in dem alle Menschen ganz selbstverständlich über das Notwendigste verfügen. Ein Blick über unsere Landesgrenzen zeigt, wie gross unser Wohlstand ist.

Glück

Ich erachte es als grosses persönliches Glück, dass ich vor wenigen Tagen meinen 50. Geburtstag im Kreise meiner Familie feiern durfte. Seit genau der Hälfte meines Lebens darf ich, gemeinsam mit meinem Mann, unser Hotel leiten, mitgestalten und in die Zukunft führen. Als Familienunternehmen sind wir gemeinsam durch einfachere und schwierigere Zeiten «gesegelt». Die aktuelle wirtschaftliche Situation erachte ich als Herausforderung. Ich freue mich sehr, dass wir uns dieser zusammen mit unseren tollen Mitarbeitenden stellen können. Segeln in Zeiten mit gutem Wind ist keine Kunst, die Kunst heute ist es, den richtigen Weg zu finden, um gestärkt aus dem «Sturm» herauskommen.

Stolz

Ich finde, dass wir Schweizerinnen und Schweizer ruhig ein wenig stolz auf unser einzigartiges Land sein dürfen. Wie schon erwähnt, sind wir in vielen Belangen Weltklasse. Weltklasse sind wir aber auch im Nörgeln. Immer und überall finden wir ein Haar in der Suppe. Vor lauter Schönheit erkennen wir oft gar nicht, in welch einzigartigem Land wir leben. Seien wir doch stolz darauf, in diesem Land leben zu dürfen, in dem zwar keine Schokolade aus dem Berg fliesst, aber immerhin allerbestes Quellwasser, das wir alle direkt aus dem Wasserhahn geniessen können.

Kommentar

Liebe Claudia,

mit 18 Jahren, nach einem heftigen Streit mit meinen Eltern und dem post-pubertären Gefühl, die Schweiz sei so kleinkariert wie die rot-weiss schachbrettartig gemusterten Vorhänge unseres Ferienhauses, flüchtete ich nach Amerika. Mit dem festen Glauben, Amerika sei das gelobte Land, wo nicht nur alles, sondern für mich noch viel mehr möglich war.

Erst Jahre später, als ich mit Karlheinz Böhm in den ärmsten Regionen Äthiopiens arbeiten und mit DJ BoBo auf fünf Kontinenten Konzerte und TV-Shows verantworten durfte, wurde mir klar, was es ausmacht, Schweizer zu sein: Es bedeutet nicht nur unser Heimatland und der Schweizerpass, der im Notfall so manche Türe öffnet, sondern auch die Zuverlässigkeit unserer Botschaften im Ausland und die Möglichkeit, von überall her und jederzeit nach Haus reisen zu können, in den sichern Hafen. Gerne nehme ich hier deine Analogie mit dem Segeln nochmals auf. Denn jeder Wind ist der falsche, wenn die Crew sich nicht einig ist, welches Ziel es anzusteuern gilt.

Darin sehe ich derzeit die grosse Herausforderung für Politik und Wirtschaft: Den Hafen Schweiz mit neuen, aktuellen und angepassten Inhalten und Werten auszustatten, so dass unser Hafen auch in Zukunft für alle ein begehrenswerter Heimat- und Wirkungsort sein kann. Verbunden mit der Hoffnung, dass auf der Hafenmole ein helvetischer Leuchtturm im Sturm der Weltgeschichte für so manch einen Suchenden zum Orientierungspunkt werden kann…

Ditti Bürgin-Brook
Creative Producer La Siala Entertainment GmbH («Schellen-Ursli»)

 

Die Tourismus-total-Expertenrunde von GRHeute berichtet und kommentiert einmal wöchentlich über aktuelle Tourismusthemen für Graubünden. Unverblümt und direkt von der Front. 

 

author

Claudia Züllig

Kolumnistin Tourismus
Claudia Züllig-Landolt, Gastgeberin Hotel Schweizerhof Lenzerheide