Si sait: Sprachen sind cool!

Si sait: Sprachen sind cool!

Der Grosse Rat hat die Initiative «Nur eine Fremdsprache in der Primarschule» im letzten Jahr mit grossem Mehr für ungültig erklärt. Das Verwaltungsgericht hat diesen Entscheid gestern aufgehoben und damit die dagegen erhobene Beschwerde der Initianten gutgeheissen. Er sait – si sait sehen das Ganze aus verschiedenen Perspektiven.

Jetzt kommen sie wieder aus ihren Löchern gekrochen: Diejenigen, die Italienisch doof und Englisch cool finden. Diejenigen, die finden, dass man zuerst Deutsch, die am meisten gesprochene Sprache in der Schweiz, richtig lernen sollte. Und diejenigen, die in zwei Fremdsprachen eine Überforderung sehen.

Mag sein, dass es Kinder gibt, die mit zwei Fremdsprachen überfodert sind. Aber es gibt auch Kinder, die sind mit Mathe überfordert. Oder vom Turnen. Oder sind meilenweit davon entfernt, sich ihre Socken selbst stricken zu können oder einen Nagel grade einzuschlagen. Zusammengefasst: Es kann nie allen passen. Muss man durch.

Italienisch ist die falsche Fremdsprache? Es sind Kinder! Kinder benutzen Fremdsprachen bei Videogames und in den Ferien. Und wo machen die meisten Kinder Ferien? Richtig: In Italien. Ein Jahr Italienisch reicht, um Pizza und Gelati im Ristorante selbst zu bestellen – notfalls reicht auch der Wortschatz «Pizza Prosciutto» und «Cioccolato». Auf jeden Fall ist für Kinder in der dritten Klasse Dolce Vita nachvollziehbarer als die Hitze eines Sommers in den Strassenschluchten von New York, weil die meisten von ihnen öfter in der Toscana oder an der Adria als in New York oder im Grand Canyon waren. Wer Wert auf englische Vorbildung legt, sollte das Kind Videospiele spielen oder Titanic im Originalton sehen lassen – und schon fällt Englisch als Geheimsprache der Eltern weg.

Zuerst Deutsch richtig lernen? «Deutsche Sprache schweres Sprache», so heisst es doch, oder? Das heisst es nicht umsonst. Man merkt es vor allem daran, dass längst assimilierte Personen mit Migrationshintergrund den Akkusativ unter dem Dativ begraben. Italienisch und Englisch sind viel einfacher aufgebaut. Dass diese beiden Sprachen unter Umständen schneller gelernt werden, ist die Schuld unserer Vorfahren und ganz sicher nicht unserer Kinder. Ausserdem ist Sprache stetem Wandel unterworfen. Unser Portemonnaie ist nicht das Portmonee unserer Kinder, Alta! Auf jeden Fall: Es gibt Menschen, die haben ihr Leben lang Probleme mit der deutschen Sprache und können trotzdem Italienisch und Englisch fliessend sprechen und fehlerlos schreiben.

Lasst Kinder noch Kinder sein, hört man auch sehr oft in diesem Sprachenstreit. Ja, lassen wir sie noch Kinder sein! Aber was haben die Sprachen damit zu tun? Ach, die fehlende Freizeit, die anderen Kindern wegen der komplizierten Matheaufgaben abgeht. Oder weil sie die Socken aus dem Handarbeitsunterricht allen Ernstes zu Hause fertig stricken müssen. Für die meisten Jungs ist das die einzige Socke, die sie in ihrem ganzen Leben jemals stricken werden. Italienisch hingegen können sie spätestens dann wieder brauchen, wenn sie mit ihren eigenen Kindern an einem Strand in einem überfüllten Ferienresort an der Adria liegen. Und weil sie es schon als Kind gelernt haben, ist der Wortschatz avanti! wieder da.

Liebe Initianten: Meine Stimme bekommt Ihr nicht. Ich liebe Sprachen und werde meine Kinder ganz sicher nicht daran hindern, sie in der Schule zu lernen. Welche, ist meinen Kindern übrigens Wurst, sie haben keine Ahnung, ob Englisch oder Italienisch besser wäre. Sollte wegen Problemen dabei zu viel ihrer Freizeit abgehen, werde ich dafür ihre Socke für die Handarbeit fertig stricken.

 

(Bild: Pixabay)

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Rachel Van der Elst

Redaktionsleiterin/Region
Rachel Van der Elst mag Buchstaben: analog, virtuell oder überall, wo Menschen sind. In einem früheren Leben arbeitete sie unter anderm bei der AP, beim Blick, bei 20Minuten, beim Tages-Anzeiger und bei der Südostschweiz. In ihrer Handtasche immer dabei: Jasskarten.