Arno del Curto von Lars Leuenberger «ausgecoacht»

Reto Hartmann
28.03.2016

Die Gestik und Mimik der Davoser Spieler im letzten Halbfinal von Samstagabend in der Vaillant Arena sprach Bände. Der HCD versuchte es, krampfte, hatte aber immer noch das Problem, dass er einen Schritt langsamer als der SC Bern war. Schon früh flatterten deshalb die Emotionen. Die einen Gelb-Blauen verwarfen die Hände, die andern liessen sich überbordend auf Trashtalk mit dem Gegner und Diskussionen mit den Schiedsrichtern ein. Auch Arno del Curto warf alles rein, feuerte sein Team lautstark an, erweckte aber mehr den Eindruck, zu viel wollen, zu «hyper» rumzubrüllen. Er war ein Spiegelbild seines Teams: Je mehr der HCD ackerte, desto mehr überkompensierte er. Fast wie ein Boxer, der nicht genug Reichweite hat und darum verzweifelt den Infight sucht und dafür auch mal seine Deckung verlassen muss. Nur, dass dieser SCB den Infight nicht scheute und sich überhaupt nicht einschüchtern liess. Im Gegenteil: Bern nahm jeden Zweikampf an, fand aber das richtige Mass an Emotion und teilte ebenso aus – besonders übel der Killer-Check von Tristan Scherwey an Fabian Heldner.

Als Davos merkte, dass der Speed und das Playbook gegen den SCB nicht funktionierten, waren die Bündner ratlos. Immer wieder und wieder versuchten die Del-Curto-Boys anzulaufen, hatten aber oft grösste Mühe, überhaupt einen vernünftigen Spielzug aufzubauen. Abgesehen vom einzigen Sieg in der Serie, dem 7:1 vom Dienstag, traf der HCD bei numerischem Gleichstand bei den vier Niederlagen gerade dreimal! Der SCB kontrollierte die Mittelzone und störte den HCD wirkungsvoll mit seinem Forechecking. Konzentriert, hartnäckig, fokussiert. Der HCD zappelte im Netz und fand kein Rezept, die Berner zu überwinden. Übersetzt heisst das am Ende: Der SC Bern war die bessere Mannschaft. Punkt.

Eine herbe Enttäuschung für den HC Davos und seine Anhänger. Woran lag es nun, dass die Bündner den Fluch der Titelverteidigung im Schweizer Eishockey nicht überwinden konnten? War die lange Saison mit über 80 Spielen zu viel des Guten? Quatsch. Klar, hatte dies einen Einfluss, aber sicher keinen entscheidenden. Gerade so gut könnte man von einem Vorteil internationaler Spiele auf Top-Ebene sprechen.

Die Gründe liegen woanders: Der HCD war gegen Bern schon früh in der Serie aus dem Rhythmus gekommen. Der SCB wirkte wie ein Team. Aus einem Guss. Der HCD nicht. Symbolisch die Bilder des reklamierenden HCD-Ausländers Dick Axelsson in den ersten Spielen, Arno del Curtos-1000-Frankentrick, seine Aussagen, dass der SCB halt hungriger sei, weil sein Team den Titel schon gewonnen hätten. Irgendwie machte dies alles den Eindruck, dass da ein Team am Werk ist, das den gemeinsamen Herzschlag verloren hat. Der Trick funktionierte kurzfristig und resultierte im einzigen (Kanter-)Sieg der Serie. Vielleicht hätte Davos da mit dem Momentum auch das Mojo noch an sich reissen können. Es folgte aber der brutale Niederschlag in Spiel 4 in Bern, als man 58 Sekunden vor Schluss in der Overtime verlor. In einer Overtime, in der beide Teams unbedingt gewinnen wollten, der SCB aber – je länger sie dauerte – desto zwingender wurde und sich den plötzlichen Sieg dadurch verdiente.

Eine herbe Enttäuschung in der Halbfinal-Serie waren die Ausländer des HCD: Nur vereinzelt hatte man in der Serie den Eindruck, dass sie den unbedingten Siegeswillen aufs Eis legten. Dass die Verletzungshexe bei den Verstärkungsspielern diese Saison mehr zuschlug als noch letzte Saison und HCD-Coach Arno del Curto dadurch bis zum Schluss immer wieder neue Formationen aufs Eis schicken musste, half auch nicht. Klar, alle HCD-Ausländer liessen ab und zu ihr Potenzial aufblicken, aber eine Leaderfunktion auf dem Eis war gegen Bern bei keinem auszumachen. Verantwortung übernahmen andere: Andres Ambühl, die Wieser-Brüder, Beat Forster – auch wenn gerade beim Letzteren der Zahn der Zeit offensichtlich zu nagen begann. Aber die Einheimischen stehen auch sinnbildlich für den HCD in diesem Jahr: Sie wollten es unbedingt, machten einen Schritt mehr als üblich, wollten dadurch aber manchmal zu viel und liessen sich zu Fehlern und zum Verlassen der Positionen verleiten. Auch die jungen HCD-Verteidiger spielten in ihrem zweiten richtigen Jahr in Davos nicht mehr so souverän wie in der Meistersaison und liessen sich gegen Bern oft regelrecht im eigenen Drittel festnageln. Ein bekanntes Phänomen im Sport: Einer überraschend starken ersten Saison (vor allem wenn sie im Meistertitel endet) folgt oft eine Stagnation oder ein leichter Rückschritt im zweiten Jahr.

Die Hauptschuld am Ausscheiden des HC Davos liegt aber zweifellos woanders. In erster Linie beim SC Bern und seinem (Noch-Trainer) Lars Leuenberger, der seinem Gegenüber Arno del Curto mit aggressiver und harter Defense und kraftvollen Angriffen den Schneid abgekauft hat. Er hat seine Mannen nicht nur zu einem hart, sondern auch zu einem fokussiert arbeitenden Kollektiv geformt. Etwas, das dem Davoser Erfolgscoach in dieser Halbfinal-Serie trotz aller Bemühungen nicht gelang.

 

(Bild: EQ Images)

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Reto Hartmann

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