Schlepperbanden profitieren von internationalen Altlasten

Schlepperbanden profitieren von internationalen Altlasten

Der wöchentliche GRHeute-Blick auf einen internationalen Brennpunkt.

Kriegsschiffe des nordatlantischen Verteidigungsbündnis sollen im Mittelmeer den Menschenschmugglern zwischen der Türkei und Griechenland das Leben schwer machen. Die begrüssenswerte Idee droht zwischen griechisch-türkischen Machtspielen zu versanden.

Der absolute Löwenanteil der 1.3 Millionen Flüchtlinge, welche bisher den europäischen Kontinent erreicht haben, kommen über den Seeweg von der Türkei nach Griechenland. Die ortsansässigen Schlepper machen damit seit geraumer Zeit das Geschäft ihres Lebens, ohne dabei auf humanitäre Risiken Rücksicht zu nehmen. Am 12. Februar kündigte der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg an, Kriegsschiffe des Bündnisses in die Ägäis zu entsenden um die griechischen und türkischen Sicherheitskräfte und die europäische Grenzschutzagentur Frontex zu unterstützen. Was eigentlich wie eine begrüssenswerte Idee zum Wohl der europäischen Stabilität und nicht zuletzt auch zum Wohl der zahlreichen Flüchtlinge selbst klingt, könnte nun an Reibereien zwischen Athen und Ankara scheitern.

Streit zwischen Griechenland und der Türkei ist lebendig

Seit 1995 sind die Seegrenzen zwischen Griechenland und der Türkei höchst umstritten. Damals brach wegen dem Streit um die Felseninseln Imia beinahe ein Krieg aus, nachdem beide Seiten die Inseln für sich beansprucht hatten. Obwohl heute eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den beiden NATO-Staaten unwahrscheinlich ist, bleibt der Streit um die Grenzen in der Ägäis nach wie vor lebendig. Um einer etwaigen Eskalation zuvorzukommen, einigten sich die beiden Parteien darauf, dass keine Militärangehörige in umstrittenes Gebiet eindringen dürfen. Diese Regelung gilt aber eigentlich nicht für Verbände der NATO.

Türkei spielt Trümpfe aus

Die Einheiten der Verteidigungsallianz sollen Menschenschmuggler aufspüren, und der zuständigen Küstenwache übergeben. Aufgrund der unklaren Grenzziehungen sind aber vor allem die türkischen Sicherheitskräfte mit dem momentanen Vorgehen der NATO-Truppe nicht einverstanden. Zum Beispiel streiten sich Athen und Ankara über die Verwendung unterschiedlicher Seekarten. Die Türkei spielt einmal mehr ihre Machtposition im Flüchtlingspoker aus; nur mit der Unterstützung der Türkei und der Zusammenarbeit mit deren Behörden und Sicherheitskräften kann die NATO-Mission tatsächlich Erfolg haben. Das weiss auch Ankara und setzt neben weiteren Zugeständnissen aus Brüssel wahrscheinlich sogar auf eine stärkere Verhandlungsposition im Territorialstreit mit Griechenland, dessen 60. Verhandlungsrunde erst diese Woche stattfand.

 

(Bild EQ Images: Flüchtlinge, die via Türkei und Griechenland nach Europa kommen, sind in Serbien gestrandet)

author

Franco Membrini

Kolumnist
Hat an der University of Edinburgh seinen «Master of Science in History» absolviert. Zuvor studierte der Churer Geschichte, Betriebsökonomie und Staatsrecht an den Universitäten Bern und Bologna.